Brief von Gefangenen zur 125 Jahr Feier der JVA Tegel
Wir möchten hier einen anonymen Brief einiger Gefangenen aus der JVA Tegel veröffentlichen, die sich zur geplanten 125 Jahr Feier des Knastes äußern.
125 Jahe Strafgefängniss Tegel – Das ist vieles, aber kein Grund zu feiern
Am 06. Oktober 2023 soll in großer Zeremonie durch Anstaltsleitung, Senatsverwaltung für Justiz, deren Büttel und geladenen Gästen um 13 Uhr in der Anstaltskirche (Einlass 12:30 über Tor 1) das Bestehen des Tegeler Strafgefängnisses, in welchem seit dem 01. Oktober 1898 Menschen interniert werden, mit großer Selbstbeweihräucherung gefeiert werden.
125 Jahre Tegel, das heißt für die hier Inhaftierten 125 Jahre Unterdrückung, Leid, Schmerz und Tod. Jeder Quadratzentimeter des Tegeler Gefängnisses ist in Blut und Tränen getränkt. Jede Zelle steht für minedstens ein Leben, was hier sein Ende fand.
Unzählige Menschen wurden in und von diesem Gefängnissystem ermordet. An manche von ihnen, wie an Bernhardt Lichtenberg [1] oder Dietrich Bonhoeffer [2] erinnert man sich womöglich. An die Toten, die der Willkür zum Opfer fielen, die den Gesetzen und Erwartungen der Machthaber ihrer jeweiligen Zeit nicht entsprachen – an diese Mehrheit der getöteten erinnern wir.
Denn nur weil seit einigen Jahrzenten in Tegel nicht mehr direkt und durch Urteile gehängt und geköpft wird, heißt das nicht, dass Strafen nicht mehr zum Tode führen. Unzureichende Medizinische Versorgung, die allgemeinen Haftbedigungen und die psychischen Qualen sind der Grund für die vielen Todesfälle unter Gefangenen und Haftentlassenen der jüngeren Zeit.
Was gibt es also zu feiern?
Soll die selbst vom Verfassungsgericht als menschenunwürdig bezeichnete Entlohnung für die Zwangsarbeit gefeiert werden?
Gibt es „Resozialisierungserfolge“ zu feiern, wenn die Statistiken belegen, dass zwei von drei Gefangenen des Tegeles Systems kurze Zeit nach ihrer Entlassung erneut Straffällig werden (müssen)?
Will die Leitung der Strafanstalt das gute Klima in Tegel, welchen von Drogemissbrauch, Gewalt und gegenseitigem Misstrauen geprägt ist feiern?
Oder soll ganz allgemein das Leid, der Schmerz und die Verzweiflung der Gefangenen gefeiert werden?
Tegel zeichnet sich schon immer durch Willkür- und Verwaltungsvollzug aus, auch nach der Umbenennung in Justizvollzugsanstalt. Tegel, das ist die totale Institution der Repression, in der es nun um Entmenschlischung und Qual geht. Und all das geschieht, während die Kulisse der Rechtsstaatlichkeit und einer vermeintlich modernen, humanen Strafvollzugs mit allen Mitteln versucht wird aufrecht zu erhalten – zu nichts anderem dienen offensichtlich die 125 Jahr Feierlichkeiten.