Nahost in Berlin: Vermummte werfen Molotow-Cocktails auf Polizeiauto
Unbekannte reißen die Israel-Fahne am Roten Rathaus herunter und stecken sie in einen Mülleimer. Die Polizei rechnet mit zahlreichen Palästinenser-Demos.
Andreas Kopietz
12.10.2023 | 12:53 Uhr
Polizisten waren am Mittwoch am Neuköllner Hermannplatz im Einsatz, um eine verbotene Demonstration zu unterbinden.
Die Sicherheitslage in Berlin wird von Tag zu Tag angespannter. Hintergrund ist der Krieg in Israel. Am Donnerstagmorgen wurde in Kreuzberg ein Polizeiauto mit Molotowcocktails beworfen. Die Beamten des Abschnitts 53 waren zu vier brennenden Müllcontainern in der Friedrichstraße gerufen worden.
Aus einer Gruppe von acht bis zehn maskierten Personen heraus wurden dann zwei Brandsätze in Richtung des Einsatzwagens geworfen. Sie verfehlten das Polizeiauto und schlugen daneben auf dem Asphalt auf. Sie zündeten aber nicht. Anschließend flüchtete die Gruppe unter „Allahu Akbar“-Rufen in Richtung Mehringplatz. Die Täter ließen am Ort eine Tasche zurück, in der die Polizei einen weiteren Brandsatz fand.
Die beim Polizeilichen Staatsschutz gegründete „AG Gaza“ übernahm die Ermittlungen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, versuchter gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz.
Seit dem Terrorüberfall auf Israel am vergangenen Sonnabend zählte die Berliner Polizei bis Mittwochmittag mehr als 30 Straftaten mit Israelbezug sowie 36 Ordnungswidrigkeiten bei Demonstrationen. Die Tendenz sei aber deutlich steigend, hieß es vonseiten des Staatsschutzes. Man werde schnell im dreistelligen Bereich sein. So sei etwa mit Sachbeschädigungen zu rechnen und auch mit „Distanzdelikten“ im Internet. Zu diesen werden beispielsweise Drohungen und Beleidigungen gerechnet.
Weitere Straftaten mit Israel-Bezug sind nach Informationen der Berliner Zeitung inzwischen hinzugekommen: Am Mittwochmittag bemerkten Polizisten, dass jemand auf den Gehweg der Bürgerstraße Schmähungen des Staates Israel gesprüht hatte – darunter einen 1,5 Meter großen Davidstern und über diesem das Wort „Fuck“.
In der Steglitzer Ermannstraße stellte die Polizei ein weißes Carsharing-Fahrzeug fest, auf das mit roter Farbe der Schriftzug „Kill Israel“ gesprüht war. An der hinteren linken Tür war eine palästinensische Flagge angebracht. Der Staatsschutz ermittelt wegen Sachbeschädigung mit politischem Hintergrund und Volksverhetzung.
Gegen 14.15 Uhr bemerkte eine Anwohnerin der Neuköllner Boddinstraße im Hausflur die Schriftzüge „Juden nach Auschwitz Birkenau“, „Wir wollen den totalen Krieg“ und „Deutschland den Deutschen“. Die Parolen waren mit blauer Farbe in einer Größe von drei mal einem Meter an die Wand geschmiert.
Gegen 19 Uhr sah ein Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes vor dem Roten Rathaus zwei Unbekannte, die die israelische Staatsflagge, die dort gehisst war, vom Fahnenmast rissen und flüchteten. Polizisten fanden die Fahne in einem Mülleimer in der Nähe.
Hamas ruft zu Soli-Aktionen am Freitag auf
Für diesen Freitag ruft die im Gazastreifen herrschende Hamas die muslimische Welt zu Solidaritätsaktionen auf. Entsprechend angespannt schauen Verfassungsschutz und Polizei auf die Freitagsgebete in Deutschland und Berlin. Wie weit dieser Solidaritätsaufruf befolgt wird, ist nicht klar. Denn im islamistischen Lager ist man sich uneinig. Der Hamas werde abgesprochen, für die Umma zu sprechen, also im Namen aller Muslime auf der Welt, hieß es von fachkundigen Beamten aus dem Berliner Landeskriminalamt. Nach Erkenntnis der Sicherheitsbehörden sind auch die in Berlin ansässigen Hisbollah-Vereine ruhig, aus Furcht vor einem Verbot. Auch weitere Teile des islamistischen Spektrums hielten sich zurück.
„Je schlimmer es im Nahen Osten wird, desto schlimmer wird es auch hier“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Ihre Behörde rechnet mit einer weiteren Verschärfung der Lage auf den Berliner Straßen, wenn Israel mit einer Bodenoffensive in Gaza beginnt und noch mehr Bilder ziviler palästinensischer Opfer in den sozialen Netzwerken kursieren.
Die Polizei hat bereits jetzt ihre sogenannten Raumschutzmaßnahmen erhöht und ist mit Einsatzhundertschaften verstärkt auf den Straßen Neuköllns, in Wedding und im Regierungsviertel präsent. Diese sollen offen und auch verdeckt aufklären und so Störungen unterbinden. Eingesetzt werden außerdem geschulte Operativkräfte der Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes. Beamte des Arbeitsgebietes Interkulturelle Aufgaben (Agia) wurden angewiesen, über ihre Netzwerke in der Palästinenser-Community Informationen zu sammeln und beruhigend auf die Menschen einzuwirken. „Da hilft es uns sehr, dass wir dort gute Kontakte haben“, hieß es aus der Behörde.
Der zentrale Objektschutz der Polizei bewacht etwa 100 jüdische beziehungsweise israelische Einrichtungen. Dafür zuständig sind rund 400 der insgesamt 1500 angestellten Wachleute.
Demo am Potsdamer Platz ist nicht verboten
Alle Streifen der Schutz- und der Kriminalpolizei wurden angewiesen, diese Einrichtungen anzufahren, wenn sie gerade keinen Auftrag haben. Zudem hat jede örtliche Polizeidirektion eine mobile Observations- und Interventionsstreife aufgestellt, die kurzfristig Unterstützung leisten kann.
Die Polizei stellt sich auf eine wachsende Zahl von pro-palästinensischen Demonstrationen ein. Für diesen Donnerstagnachmittag hat die Gemeinde der Palästinenser in Berlin eine Kundgebung am Potsdamer Platz angemeldet. Sie steht unter dem Motto „Solidarität mit der Zivilbevölkerung im Gazastreifen.“
„Die Kundgebung ist bislang nicht verboten“, sagte ein Polizeisprecher am Mittag. Eine für den vergangenen Mittwoch angemeldete Demo durch Neukölln hatte die Polizei hingegen untersagt. Diese war aus dem Umfeld der linksradikalen Samidoun-Gruppierung angemeldet worden, weshalb die Polizei und das Verwaltungsgericht davon ausgingen, dass dort erneut antisemitische und terrorverherrlichende Parolen gerufen würden.
Auch eine für Sonnabend auf dem Pariser Platz angemeldete Kundgebung des Zentralrates der Palästinenser in Deutschland hält die Polizei für unproblematisch. Der Anmelder sei bislang „nicht negativ aufgefallen“, hieß es.
passiert am 12.10.2023