3 Jahre nach dem Rückzug aus Afrin
Heute vor drei Jahren haben sich YPJ und YPG aus Afrin zurückgezogen. Die Kampagne „Fight4Afrin“ hat damals massiven Widerstand in den kapitalistischen Metropolen geleistet. Es wurden Angriffe auf die Infrastruktur des türkischen Faschismus, die Rüstungsindustrie und andere Komplizen und Profiteure des türkischen Staates durchgeführt. Wir wollen den Jahrestag des Rückzugs nutzen, um eine Auswertung vorzunehmen und zu analysieren, welche Schlüsse wir daraus ziehen können.
Eine kurze Auswertung
Im Rahmen des militanten Widerstands gegen den Angriffskrieg in Afrin wurden zwischen dem 21.1. und dem 15.05.18 insgesamt 136 erfolgreiche Angriffe durchgeführt. Und dies sind nur jene Aktionen welche uns bekannt waren, es wird noch viele mehr geben haben, welche stattfanden ohne ein Zeichen zurück zulassen. Von diesen Aktionen fanden 93 in der BRD, 8 in Griechenland, 8 in Italien, 8 in Frankreich, 4 in Österreich, 3 in der Schweiz, 3 in Belgien, 2 in Schweden und 2 in den Niederlanden und jeweils eine einzelne Aktion in der Slowakei, in Serbien, Kanada, dem Vereinigten Königreich und Dänemark, statt. Insgesamt wurden 20 Banken die durch Investitionen in die Rüstungsproduktion ihr blutiges Geld verdienen, 24 Einrichtungen der europäischen Rüstungsindustrie oder der militärischen Kooperation mit der türkischen Besatzungsarmee, 24 Einrichtungen der europäischen Politik und 75 Einrichtungen die in direkter Verbindung oder Kollaboration mit dem türkischen Regime stehen, Ziel unserer nächtlichen Attacken. Vom ersten Tag an, war die Besatzungsoffensive nicht nur begleitet von Massenprotesten und Aktionen des zivilen Ungehorsams sondern auch von nächtlichen Vergeltungsschlägen der Rachekommandos und autonomen Gruppen.
Neben Angriffen auf türkische Einrichtungen und Läden von AKP Unterstützern gab es auch Angriffe auf die Infrastruktur des Kapitals und der Rüstungsindustrie, sowie auf die Logistik der kapitalistischen Zentren. Durch spektakuläre Aktionen, wie Molotow-Cocktails auf türkische Konsulate und Einrichtungen, gab es auch kleinere Farbaktionen, kostspielige Angriffe auf Infrastruktur der Rüstungsindustrie und der NATO, das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Aktionen und auch die große Zahl sorgte für eine größere Aufmerksamkeit auf das Thema und setzte die Invasion Afrins und die Beteiligung deutscher und europäischer Firmen und Parteien auf die Agenda der Öffentlichkeit. In Zeiten in denen die westliche Presse noch Stillschweigen über die Gräueltaten in Afrin walten lies, zwangen die militanten Aktionen das Thema auf die Tagesordnung.
Die unterschiedlichsten Mittel, von Farbe zu fein säuberlichen Brandanschlägen, von spontanen und wilden Demos zu Besetzungen und Massendemonstrationen, machten die Kampagne anschlussfähig und ermöglichten es verschiedensten Menschen ihre Wut und ihren Schmerz auszudrücken und zur Aktion werden zu lassen.
Die Aktionen zeigten auch, dass der Hass und die Verachtung gegen dieses System tief in uns steckt. Wir lassen uns nicht befrieden, wir lassen uns nicht einbinden, wir werden zurückschlagen, immer und überall wo ihr seid. Wir werden euch für eure Verbrechen in die Verantwortung nehmen. Das war die Nachricht, die in diesen Wochen unmissverständlich klar wurde.
Die Verbundenheit mit den Gefährt*Innen in Rojava äußerte sich auch dadurch, dass in den Namen, die Bezugsgruppen sich gegeben haben, Bezug auf Gefallene des Widerstands von Afrin und dem Kampf unserer Genoss*Innen der kurdischen Befreiungsbewegung genommen wurde.
Unsere Kämpfe im Namen und in Erinnerung der Gefallenen zu führen bedeutet ihren Kampf weiter zu führen und ihren Opfern Bedeutung zu geben.
Die Unterschiedlichkeit der Aktionen und die Bezugnahme auf die militante Kampagne auch auf Massendemonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsames baute Druck auf und zerrte das Thema in die Öffentlichkeit.
Die Spaltung durch Propaganda und Hetze seitens des Staates wurde dadurch erschwert und baute eine breite Front gegen die Angriffe auf, mit unterschiedlichsten Menschen, mit unterschiedlichsten Mitteln.Trotz aller Meinungsverschiedenheiten gibt es in der radikalen Linken in Europa eine breite Solidarität mit dem Kampf der Menschen in Rojava, die Revolution bringt uns zusammen.
Nur selten wird die Revolution in Rojava von bürgerlichen Medien aufgegriffen, nur selten wird darüber im öffentlichen Diskurs gesprochen, es wird versucht dieses Thema klein zu halten, da es die propagierte Alternativlosigkeit des Kapitalismus ad Absurdum führt und diese Strahlkraft eine tatsächliche Gefahr für die herrschenden Verhältnisse darstellt.
Nur durch den Druck von Massenprotesten, kreativen und eben militanten Aktionen können wir das Thema auf die Agenda einer größeren Öffentlichkeit bringen und gleichzeitig die Profiteure und Unterstützer des Faschismus benennen und durch unsere Angriffe bezahlen lassen.
Neben Zusammenhängen, die Zugang zu Erfahrungen im Durchführen von Aktionen haben beteiligten sich auch viele Menschen, für die diese Form von Aktionen etwas Neues war. Das ist sehr erfreulich und wird hoffentlich häufiger passieren, allerdings kam es dabei zu mehreren Festnahmen und Repression, die vermeidbar gewesen wären. Die Wissensweitergabe rund um das sichere Durchführen von Aktionen sollte deshalb in Zukunft verstärkt werden, damit eine bessere Planung auch Kreisen zugänglich wird, die nicht schon über eine gewisse Routine verfügen.
Das hohe Niveau und hohe Zahl der Aktionen war offensichtlich auf Dauer nicht zu halten.
Es ist klar, dass wir uns im Kampf gegen dieses System verschiedenen Themen widmen müssen und unsere Konzentration sich auch wieder auf andere Formen der Unterdrückung und aktuelle Entwicklungen richtet, doch die Angriffe des türkischen Faschismus auf Rojava haben Kontinuität, so müssen auch unsere Aktionen längerfristig angelehnt sein.
Krieg der niedrigen Intensität
Die Türkei fährt eine Strategie des Krieges der niedrigen Intensität. Das heißt kontinuierliche kleinere, manchmal auch größere Angriffe und weniger Großoffensiven. Das hat den Zweck eine Zermürbung der Verteidigungskräfte herbei zu führen und außerdem die Aufmerksamkeit auf die Kämpfe so gering wie möglich zu halten.
Diese Strategie führt dazu, dass der Kampf, den unsere Freund*Innen in Kurdistan führen schnell wieder aus unserem Blick verschwindet, da die Aufmerksamkeit der Medien sich nach größeren Offensiven wieder auf andere Themen richtet und damit augenscheinlich auch unsere Aufmerksamkeit. Es ist wichtig, dass wir uns vor Augen führen, dass der Krieg in Kurdistan ein fortwährender Konflikt ist, auch aktuell gibt es jeden Tag Gefechte in Rojava und die Angriffe auf die Verteidigungsgebiete in den freien Bergen Kurdistans finden ebenfalls auf „kleiner Flamme“ statt.
Immer wieder versuchen die djihadistischen Verbündeten der Türkei die Umgebung rund um Ain Issa zu infiltrieren, doch werden zurückgeschlagen, immer wieder führt die türkische Armee Operationen in den Bergen durch, die die Guerilla mit großer Effektivität ins Leere laufen lässt.
Es ist davon auszugehen, dass es auch weitere Großangriffe geben wird, der Angriff auf Gare ist krachend gescheitert, doch die Propagandamaschine des türkischen Faschismus bereitet bereits die Bevölkerung in der Türkei auf den nächsten Angriff vor. Im türkischen Fernsehen wird öffentlich darüber gemutmaßt, wo der nächste Angriff auf Rojava stattfinden könnte.
Wir dürfen unsere Freund*Innen in Kurdistan nicht vergessen, die jeden Tag für eines der vielversprechendsten emanzipatorischen Projekte weltweit kämpfen. „Aus dem Auge aus dem Sinn“ ist dabei eine schlechte Ausrede. Der türkische Faschismus greift die Menschen in Rojava jeden Tag an, er führt Feminizide durch, er foltert, er tötet.
Finanziert und ausgerüstet wird er aus Europa, die politische Rückendeckung erhält er aus Europa. Trotz aller Konflikte und Streitereien um Ölvorkommen mit Griechenland bleiben die europäischen imperialistischen Staaten an der Seite des türkischen Faschismus. Dies zeigt, dass diese Konflikte bloße Augenwischerei sind, Konkurrenz und Verteilungskämpfe kapitalistischer Staaten. Wenn es um die Durchsetzung des Systems geht stehen sie Seite an Seite.
Und wie weiter?
In der Vergangenheit sind militante Kampagnen meistens dann erfolgreich gewesen, wenn sie über einen langen Zeitraum hinweg verfolgt wurden, beispielsweise die Angriffe auf die DHL als „Deutsche Heereslogistik“ 2009. Dort gelang es durch ständige Angriffe DHL zum Einknicken zu zwingen und den Logistikauftrag der Bundeswehr wenigstens auf eine Minimum zu beschränken.
Kampagnen, die eher eine kurzfristige Offensive darstellen laufen Gefahr schneller auf den Schirm der Repressionsbehörden zu landen. Wenn unsere Aktionen vor Allem dann stattfinden, wenn der türkische Faschismus Großoffensiven durchführt, dann sind Objektschutz und Überwachung in diesen Zeiträumen auch schnell organisiert.
Es ist unserer Meinung nach notwendig einen langen Atem zu behalten und den Kampf gegen den türkischen Faschismus und seine Kollaborateure in Europa und weltweit als eine dauerhafte Aufgabe von Revolutionär*Innen zu betrachten. Dass wir Druck aufbauen können und eine transnationale Offensive gegen den Faschismus einen Unterschied machen kann, das hat Fight4Afrin gezeigt.
Auch wenn die Invasion nicht verhindert werden konnte, haben wir dennoch gesehen, welche Dynamik und Kraft unser Widerstand entfalten kann, zu was wir fähig sind und dass unser Widerstand den Zentren der Macht empfindliche Schläge versetzen kann.
Eine Schlacht ist verloren, doch eine Schlacht entscheidet nicht die Revolution. Wir werden in Zukunft einen längeren Atem beweisen müssen, um dem türkischen Faschismus und seinen Unterstützern den Schlag zu versetzen, den sie verdienen!
Die Befreiungskräfte Afrins (HRE) zeigen das in eindrucksvoller Weise. Trotz der Invasion befinden sie sich weiter in Afrin und bekämpfen die Besatzer effektiv, führen Angriffe und Sabotage durch. Auch die aufgebauten Selbstverwaltungsstrukturen haben sich trotz ständigen Überfällen und Feminiziden in einigen Städten gehalten und bestehen weiter.
Ganz nach dem Motto: „Sie können wohl alle Blumen abschneiden, doch sie werden den Frühling nicht aufhalten!“
Die Selbstverwaltung und der demokratische Konföderalismus ist den imperialistischen Staaten und dem Patriarchat ein Dorn im Auge, zu deutlich zeigt es, dass ein Leben jenseits von ihrer patriarchalen und ausbeuterischen Herrschaft möglich ist.
Nur durch den Druck von Massenprotesten, kreativen und eben militanten Aktionen können wir das Thema auf die Agenda einer größeren Öffentlichkeit bringen und gleichzeitig die Profiteure und Unterstützer des Faschismus benennen und durch unsere Angriffe bezahlen lassen.n ohne Staat und der konsequente Angriff auf das Patriarchat möglich ist. Rojava fordert die weltweiten Machtverhältnisse heraus. Nicht ohne Grund ist es für uns Kämpfende in Europa ein Symbol der Hoffnung und spornt uns in unseren Kämpfen an. Unsere Träume und Bedürfnisse nach Selbstverwaltung ohne Staat und Freiheit von Patriarchat und Ausbeutung werden in Rojava von der Utopie zur Realität!
„Diese Revolution findet nicht nur für Kurdistan oder den Mittleren Osten statt, es ist eine Revolution für die ganze Menschheit, sie ist die Hoffnung der Menschheit.“
Şehid Hêlîn Qereçox (Anna Campbell)
Trotz aller Meinungsverschiedenheiten gibt es in der radikalen Linken in Europa eine breite Solidarität mit dem Kampf der Menschen in Rojava, die Revolution bringt uns zusammen. Nur selten wird die Revolution in Rojava von bürgerlichen Medien aufgegriffen, nur selten wird darüber im öffentlichen Diskurs gesprochen, es wird versucht dieses Thema klein zu halten, da es die propagierte Alternativlosigkeit des Kapitalismus ad Absurdum führt und diese Strahlkraft eine tatsächliche Gefahr für die herrschenden Verhältnisse darstellt.
Nur durch den Druck von Massenprotesten, kreativen und eben militanten Aktionen können wir das Thema auf die Agenda einer größeren Öffentlichkeit bringen und gleichzeitig die Profiteure und Unterstützer des Faschismus benennen und durch unsere Angriffe bezahlen lassen.
Dass der Angriff auf Afrin erst der Anfang des Plans der Türkei und ihrer Verbündeten, Rojava zu vernichten, hat die türkische Invasion im Oktober 2019 gezeigt. Auch in den vergangenen Wochen und Monaten verdichten sich die Zeichen, dass es zu einem erneuten Großangriff kommen könnte.
Unsere Verbundenheit, unsere Hoffnungen, Hingabe und unser Hass auf diese Verhältnisse lässt sich nicht ersticken, lässt sich nicht befrieden!
Tod dem Faschismus!
Hoch die Internationale Solidarität!
Für eine befreite Gesellschaft!
via: https://barrikade.info/article/4307