Erste Einschätzung zur Meuterei-Räumung
Erste Einschätzung zur Meuterei-Räumung
Es sind nun über zwei Wochen vergangen seit uns unsere Räume entrissen wurden und ehrlich gesagt sind wir gerade erst am Anfang, diese und auch die Zeit davor zu verarbeiten.Wir wollen hier zumindest eine Ersteinschätzung unsererseits zur Räumung mit euch teilen.
Davor möchten wir aber vor allem erst mal Danke sagen. Danke für all die Aktionen, Demos, Kundgebungen und Transpis. Aber auch all die Unterstützung in den vergangenen Jahren, in denen wir versucht haben den Raum der Meuterei zusammen zu einem Ort zumachen, der uns unsere Utopien ein wenig näher bringt.
Dezentrales Konzept
Wir haben als Meuterei zu dezentralen Aktionen aufgerufen. Die Bullen versuchen unsere Proteste klein zu halten und unsichtbar zu machen, indem sie rote Zonen einrichten. Durch solche Zonen wird der Protest gegen Räumungen Vorort komplett unmöglich gemacht bzw. durch dieses martialisches Aufgebot so gelenkt wie es ihnen passt, in unserem Fall auf Unmutsbekundungen in Sicht- und Hörweite. Diese angewandten Methoden, die Abriegelung von Stadtvierteln, Aufenthaltsverbote, Ausweiskontrollen an Ein- und Ausgängen, sind nicht ursprüngliche Instrumente der Amtshilfe, sondern viel mehr die der Aufstandsbekämpfung. Das ist erschreckend, jedoch angesichts einer immer wiederkehrenden Bürgerkriegsrhetorik gegen linksradikale Proteste nicht weiter verwunderlich. Diese Rote Zone war abzusehen, nicht nur wegen der Räumungen von Syndikat und Liebig34, sondern bei der Räumung der Ohlauer Schule wurde dieser Kiez schon mal, damals für mehrere Wochen, abgeriegelt. Politik und Bullenführung versuchen Proteste so physisch auf eine kleine Fläche zu bringen und auf der Metaebene durch Schlagzeilen wie „Kreuzberg im Ausnahmezustand“ lokal festzulegen. So ist es schwieriger zu vermitteln, dass eine Räumung hier nur beispielhaft für ein System von Zwangsräumungen überall ist.
Angesichts dessen wollten wir, dass die Menschen sich ihre Handlungsfähigkeit zurückholen, in dem sie sich nicht um die Absperrungen herum versammeln, sondern an den Orten, die sie für sich entscheiden. Deshalb haben wir dazu aufgerufen, an möglichst vielen Orten der Stadt (und darüber hinaus) zusammen zu kommen, um unsere Kämpfe sichtbar zu machen.
Vielen von euch haben sich diesem Aufruf angeschlossen, sowohl am Tag der Räumung, aber auch durch verschiedenste Aktionen im Vorfeld und danach.
Wir finden das Konzept ist ganz gut aufgegangen, sehen aber immer noch Ausbaufähigkeit.
Wir sollten mehr neue Konzepte erarbeiten und erproben, um zu sehen, welche Wege wir einschlagen können um widerständig zu sein und uns nicht steuern zu lassen. Mit statischen Strategien versuchen die Cops uns kontrollierbar zu machen, daher müssen wir durch Flexibilität, Spontanität und dezentrales Vorgehen weiter unkontrollierbar bleiben.
Wir haben die Tage nach der Räumung immer wieder von Aktionen gehört, haben Mails oder Bilder zugeschickt bekommen. Das hatte den schönen Effekt, dass wir gerade in den schweren Tagen nach der Räumung trotzdem immer wieder Momente hatten, in denen wir eure Solidarität spüren konnten. Leider sind viele Aktionen nicht bei uns angekommen, was unserer Meinung auch daran lag, dass de.indymedia.org leider immer wieder down war. Es gibt zwar die Plattform kontrapolis.info, allerdings wird sie noch nicht so häufig benutzt. Auch jenseits dieser Plattformen sollten wir vielleicht schauen, welche Kanäle wir nutzen können, um unsere Kämpfe sichtbarer zu machen.
Aber es gab auch einiges an Berichterstattung über die Meuterei über diese Internetplattformen hinaus. Danke dafür an die solidarischen Medienmacher*innen, die uns dabei geholfen haben unsere Standpunkte einer breiteren Masse zu erklären.
Einige der größeren Medien scheinen allerdings das Konzept von dezentralen Aktionen nicht so recht verstanden zu haben und wollten den erfolgreichen Kampf um Räume daran bemessen, was für „spektakuläre“ Bilder vor Ort erzeugt wurden. Ist natürlich einfacher, irgendwo rumzustehen und dass dann als Zusammenfassung der Proteste zu präsentieren. Aber Menschenmassen an den Absperrungen war nun mal nicht unser Ziel. Was nicht heißt, dass es den Kollektivistas in der Meuterei nicht Mut gemacht und Kraft gegeben hat, euch in der Meuterei zu hören und euch zu sehen als sie aus den Räumen geführt wurden.
Nicht unerwähnt lassen wollen wir die Tatsache, dass die Bullen wiedermal Nazis und deren Presse Zutritt zu linken Räumen verschafft haben.
Bullen und Nazis mal wieder Hand in Hand.
Wir glauben, wir müssen unsere Handlungsspielräume weiter erproben. Konzepte können diskutiert und ausgebaut werden. Wir sind trotzdem beeindruckt davon, wie viele von euch unserem Aufruf gefolgt sind und sind dankbar dafür, dass so viele Menschen selbstständig unserem Motto: „Räumung in unserem Kiez? Widerstand in der ganzen Stadt!“ nachgekommen sind. Inwieweit dieses Konzept geeignet ist die Bullenstrategie aufzubrechen sollte weiterhin Diskussionspunkt in unseren linken Strukturen bleiben. Wir hoffen dies bald auch wieder in größerer Runde diskutieren zu können.
Vielen Dank auch an die Interkiezionale und die Abenddemo. Es war ein richtig gutes Gefühl, nach den letzten Wochen und dem Räumungstag, wo viele Aktionen dezentral stattgefunden haben, gemeinsam auf die Straße zu gehen und unserer Wut Ausdruck zu verleihen.
Wir würden uns über eine weitergehende Diskussion über das Konzept sehr freuen, vor allem im Hinblick auf die vermutlich anstehenden weiteren Räumungen.
Da es ja auch wieder Festnahmen bzw. Anzeigen gegeben hat, gilt weiterhin:
Falls ihr im Rahmen von Soliaktionen oder ähnlichem von Repression betroffen seid, meldet euch bei uns am besten per Mail (meuterei[ät]riseup.net PGP Schlüssel ist auf der Website meuterei.tk). Wir werden für euch da sein, so wie ihr für uns. Solidarität ist und bleibt eine Waffe.
Abschließend wollen wir auch noch einmal betonen, dass unser Kampf nicht vorbei ist. Weder Nenadic wird uns los, noch werden wir uns zurückziehen. Unsere Räume wurden uns genommen, doch die Meuterei bleibt! Wir sehen uns auf der Straße!
Euer Meuterei Kollektiv