Für einen klassenbewussten Antiimperialismus

Dieser Text ist ein Versuch, mit wenigen Worten und aus einem „kapitalistischen Zentrum“ heraus, eine klassenbewusste und antinationale Perspektive auf den heutigen Imperialismus der herrschenden Verhältnisse zu entwerfen. Dabei erhebt der Text nicht den Anspruch auf eine umfassende Analyse der imperialistischen Historie und erklärt sich explizit solidarisch mit der Arbeiter:innenklasse (1) weltweit. Weiterhin wird hier auch bewusst der Aspekt des Kolonialismus (2) ausgeklammert, obwohl dieser oft im gleichen Atemzug mit Imperialismus erwähnt wird. Dies geschieht, um sich besser auf das zentrale Thema fokussieren zu können.

Imperialismus wird heute wirkmächtig als kapitalistisches Werkzeug, als ökonomisches Moment. Er ist nicht die „Endphase“ des Kapitalismus, er ist ihm inhärent. Die politische Klasse eines nationalen Standorts „expandiert“ aus ökonomischen Gründen (wenn nötig mit dem Mittel des Krieges) im Interesse und gemeinsam mit den nationalen Kapitalen in andere nationale Standorte. Das Ziel ist es, die „eigene“ Position in der Weltmarktkonkurrenz auszubauen oder zu stärken. Hierbei handelt es sich nicht um einen Kampf der „Nationen“ oder „Völker“ gegeneinander oder gar um einen Kampf von „Gut“ gegen „Böse“ (3) (auch wenn dies die Herrschenden, im Sinne ihrer Herrschaft, nur zu gern behaupten), es handelt sich schlicht um die Ausweitung (monopolistischer) nationaler Kapitale über die das Wachstum bremsenden nationalen „Grenzen“ hinaus. Stets ist das Ziel die dem kapitalistischen Zwang des Wachstums unterworfene Erweiterung der Produktion, der Akkumulation, der Mehrwertproduktion, also schlicht: Die Profitmaximierung. Der Kapitalismus, dessen Produktionsverhältnis die Krise selbst ist, produziert bis zu seinem Einbruch (ob Keynes, Smith oder sonst wer als Leitfaden der politischen Klasse dient), durch eine stets (nicht zeitlich prognostizierbaren) immer wiederkehrende, der Überproduktion geschuldete Krise, die zu einer Verarmung und Verelendung der lohnabhängigen Klasse, weit über die bestehenden elenden Verhältnisse hinausführt. Doch ist die Wurzel des Übels nicht eine „fremde Macht“, nicht „fremde Völker“, nicht einmal die kapitalistischen Charaktermasken selbst, die „Kapitalist:innen“, welchen wir die Pest an den Hals wünschen. Nicht umsonst schrieb Karl Marx „das Kapital“ und nicht „die Kapitalisten“. Der Kapitalismus als ökonomische und gesellschaftlich bestimmende Ordnung verantwortet Produktion und Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse. Nicht die Kapitalist*innen machen den Kapitalismus, der Kapitalismus ist die Zurichtung des Menschen.

Die Nation (4) ist Voraussetzung für imperialistische Tätigkeit, die „nationale Befreiung“ (5) ist nicht der Weg, sie ist die Quadratur des Kreises, ein Irrweg. Die Nation, das „Volk“ (nicht mit zum Beispiel Pueblo oder People zu verwechseln) sind soziale Konstrukte die immer eines in sich tragen, die Bestimmung des Fremden, die Bestimmung eines den „guten Körper“ befallenden Bösen, sie erzeugen Rassismus, „Antiziganismus“ (6) und Antisemitismus, sie fantasieren von einem durch das „Fremde“ verdorbenen guten Bestehenden und negieren zugleich die herrschenden Klassenverhältnisse.

Was also tun gegen den heutigen Imperialismus? Mit dem Bewusstsein darüber, dass es egal ist, in welchen Kneipen ich arbeite und in welchen ich trinke, bleibt eines immer gleich: Die Produktionsbedingungen der kapitalistischen Realität. Das Bewusstsein darüber, dass die kapitalistischen Verhältnisse der Feind sind. Mit diesem Wissen muss der Imperialismus bekämpft werden. Der Kampf gegen den Imperialismus ist ein klassenbewusster, mit dem Verständnis für die expliziten Klassenverhältnisse der besitzenden „Bourgeoisie“ und des seine Arbeitskraft verkaufenden oder in unbezahlter Care-Arbeit ausgebeuteten „Proletariats“.

Im Bewusstsein darüber, dass nicht der „Finanzsektor“ (7) eine eigentlich gute Produktion „zerstört“, der gute Moment der „reinen Produktion“ ist Imagination in den bestehenden falschen Kapitalismus. Wie wir wissen ist die kapitalistische Produktion selbst die Krise. Es gibt keine Differenz oder gar Antagonismus zwischen einem angeblich „raffenden“ und einem vermeidlich „schaffenden“ Kapital. Ein Sektor der Finanzen wie wir ihn heute kennen entsteht, weil Kapital, akkumuliert aus der Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse, in Massen vorhanden ist und die Möglichkeiten der fortlaufenden „Finanzierung“ der Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse durch Produktion an seine Grenze stößt. Nicht nur, dass in Bezug auf „raffend“ und „schaffend“, der Kapitalismus nicht verstanden wird, der kurze Weg zum Antisemitismus und zur dadurch bestimmten falschen „Kapitalismuskritik“ (die keine Kritik, sondern menschenfeindliche Zementierung des Bestehenden bedeutet) ist nicht kurz, er ist nicht einmal zu gehen.

Der Kampf gegen den Imperialismus ist ein Kampf gegen den Kapitalismus. Es ist der Kampf um Emanzipation, der Kampf gegen die Degradierung zum „Humankapital“, der Kampf gegen Objektivierung, der Kampf hin zum freien Subjekt! (8)

Antiimperialismus ist Klassenkampf, Antikapitalismus ist Klassenkampf, Klassenkampf ist (international) antinational. Klassenkampf hat ein Ziel, die bestehenden (Klassen-) Verhältnisse der Geschichte zuzuführen!

Der 1. Mai steht vor der Tür, der Tag, nein, nicht der „Arbeit“, der Tag der lohnabhängigen Klasse, der Tag des Klassenkampfes, weltweit, in Negation von Grenzen und anderen sozialen Konstrukten der Ungleichheit! Der Tag ist ein Symbol, sich begründend auf die Haymarket Streiks 1886 in Chicago, das Symbol einer Klasse. Wir sehen uns auf den Straßen!

Get Organized gegen Volk und Vaterland! Für mehr Klassenkampf!

Anmerkungen:

1. Klasse ist eine analytische Kategorie, die aus der Analyse der bestehenden Verhältnisse resultiert. Sie dient nicht der Identitätsstiftung, denn obwohl die bitteren klassistischen Erfahrungen eine Klassenidentität geradezu provozieren, gibt es nur ein Ziel – die Auflösung jeglicher Klassen.

2. Kolonialismus: „Kolonialismus ist eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welcher die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherren unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden. Damit verbinden sich in der Neuzeit in der Regel sendungsideologische Rechtfertigungsdoktrinen, die auf der Überzeugung der Kolonialherren von ihrer eigenen kulturellen Höherwertigkeit beruhen.“ Eine zu diskutierende Definition aus: C.H.Beck Wissen – Kolonialismus S.20

3. „Die Moral des Kapitals liegt begraben in der Logik seines Kreislaufs.“ Karl Marx

4. Nation: „Die Nation ist der Gebietskörper, der die Standortgrenzen innerhalb der Weltmarktkonkurrenz absteckt. Des Weiteren dient sie als ideologisches Konstrukt, welches den ausgebeuteten Klassen einen vermeintlichen „Grund“ für die selbige bietet.“ Definition aus dem Konsens der plattform, welche sich ausschließlich auf den Kapitalismus bezieht.

5. „Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben.“ Karl Marx

6. „Antiziganismus“ noch verwendeter Fachbegriff. Betroffene sprechen heute von: „Rassismus gegen Sinti und Romn:ja“.

7. „Da Masse, Preise und Umlaufsgeschwindigkeit der in Zirkulation befindlichen Waren beständigem Wechsel unterworfen sind, erfordert auch ihre Zirkulation bald weniger, bald mehr Geld. Es sind also Reservoirs (Behälter) nötig, wohin Geld aus dem Umlauf abfließt und woraus es je nach Bedarf wieder in Umlauf kommt. Die entwickelteste Form solcher Zufuhr- und Abzugskanäle des Geldes, oder Schatzkammern, sind die Banken“ (Johann Most – Kapital und Arbeit). Die Produzent*innen, die Händler*innen und die Banken sind gemeinsam unabdingbare Faktoren für den Kapitalismus. Der Versuch der Trennung zeugt von Unwissenheit bezüglich der kapitalistischen Ökonomie. (siehe hier auch Antisemitismus). Das „Finanzkapital“ ist unüberwindbar mit dem „produzierenden Kapital“ verwoben. Das eine kann ohne das andere nicht existieren, es sind zwei Seiten einer Medaille.“ Aus dem Kapitalismus Konsens der plattform.

8. Es gilt „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“. Aus „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.“ Karl Marx

English, Español, Ελληνική:
https://berlin.dieplattform.org/2021/04/22/fuer-einen-klassenbewussten-antiimperialismus/

weltkarteBIG_20210413182626-1400x800.png