Interview mit Gefangenem aus Bützow
Im Folgenden ein Interview mit einem Gefangenen aus Bützow, welcher über Missstände aufmerksam machen will.
Wie lange bist du schon in Bützow und ist das dein erster Knastaufenthalt?
Ich wurde am 15.11.20 gegen 12 Uhr verhaftet durch das SEK im Zuge von Encrochat Ermittlungen. Mein bester Kumpel, der dabei war, wurde gleich mit eingetütet und saß dann 6 Monate unschuldig in Bützow. Durch die Mittätertennung war ich zuerst in Waldeck und wurde dann am 05.05.21 nach Bützow verlegt. Ist mein erstes Mal Knast. Am 20.08, nach 20 Verhandlungstagen, hatte ich dann mein Urteil: 6 Jahre. Seitdem hänge ich in diesem Aufnahmebereich fest.
Wie war Waldeck für dich?
Alles insgesamt entspannter. Habt da gearbeitet, ganz normalen Alltag gehabt, jeden Tag waren die Zellen bis 19:30 Uhr offen. Die Zellen haben sie auch mal revidiert und mir nicht die Tonnen (Anmerkung C4F: der Gefangene meint Tabak) auf die Kammer gepackt.
Du lässt es ja schon anklingen: in Bützow ist es also, im Vergleich, unentspannter?
Ja, hier ging gleich die Hölle los als ich ankam. Ich hatte keine Arbeit mehr, nur noch Einschluss und die die Beamten fingen an mir aufm Sack zu gehen, weil ich hier mit 30 Tonnen angekommen bin und als hochrangiger BTM Dealer unter General Verdacht stehe hier Stoff zu verkaufen und somit an den Tabak rangekommen zu sein. Weil es angeblich zu viel war, was ich hier einbringen dürfte, aber es steht halt nirgends, das Tabak irgendwann oder irgendwie begrenzt wäre. Bei einer Haftraumkontrolle haben die mir den Tabak weggenommen und auf Kammer gepackt.
Kannst du denn für unsere Leser*innen noch einmal die generellen Haftumstände in Bützow beschreiben?
Nur eine Stunde Freistunde und dann, wenn du Glück hast, noch 1,5h offen zum rumlaufen auf der Piste oder zum kochen oder Sport treiben. Das haut zeitlich überhaupt nicht hin und es gibt zudem auch keine vernünftigen Sporträume. Am Wochenende ist eigentlich immer Dauereinschluss und unter der Woche auch in der Regel 2 von 5 Tagen. Heißt, über die Hälfte einer Woche ist hier Einschluss.
Die Telefonkosten sind viel zu hoch und es gibt ein Telio Limit im Monat von 200 Euro, das ich schon nach sieben Tagen erreicht hatte. Ich habe auch überhaupt erstmal sechs Wochen warten müssen, bis mein Telio Konto überhaupt freigeschaltet wurde, heißt in dem Zeitraum konnte ich nicht mit meiner Familie und meinen Freunden telefonieren. Besuch gibt es auch nur eine Stunde im Monat.
Mein Aufnahmegespräch hatte ich erst nach fünf Monaten. Defekte Zellen werden nicht repariert, derzeitig ist die Dusche kaputt und das Wasser läuft nicht. Es gibt keine Substitutionsmaßnahmen, keine Arbeit, Tagespläne werden nicht eingehalten. Die Freistunde ist manchmal einfach 10 oder 15 Minuten kürzer als angedacht. Anträge von mir werden ständig ignoriert. Viele Zustände werden totgeschwiegen. Von Resozialisierung kann man nicht sprechen. Das Erstellen meines Vollzugsplans dauert statt 8 Wochen schon mindestens 24, es gibt hier auch Gefangene, die seit einem halben Jahr keinen haben.
Es gibt keine Einzelzellen und die Gefangenen haben viel zu wenig Klamotten, nur vier Shirts und ein Pullover sollen für eine Woche reichen.
Bestimmte Geräte wie Haarschneider, Radiowecker usw. muss ich bei einem anstaltsinternen Händler kaufen, der aber viel zu teuer ist.(*) Die Essensausgabe läuft oft falsch, als Vegetarier bekommst du hier Pudding mit Rindergelantine und Fisch, als Moslem Pudding mit Schweine Gelantine.
Von medizinischer Versorgung kann man garnicht sprechen. Man muss ewig warten bis man dem Arzt vorgeführt wird, ich hatte vor 2 Wochen einen Antrag darauf gestellt, weil mir ein Zahn abgebrochen ist, bis heute ist nichts passiert. Mein Antrag auf einen Psychologen wurde abgelehnt mit der Anmerkung, ich solle doch einfach zur kirchlichen Seelsorge gehen.
Bützow ist einfach komplett anders, hier läuft nichts, die Beamten gehen jedem Gespräch aus dem Weg. Die kriegen wirklich garnichts hin.
Das hört sich so an, als bräuchte man einen guten Anwalt, wenn man in Bützow inhaftiert ist?
Ja, richtig schlimm, ohne Anwalt hätte ich immernoch kein Telio, was frei wäre und könnte immer noch nicht, zum Beispiel mit euch, telfonieren.
Wie schätzt du denn das Potential ein, dass sich Gefangene dort organisieren und gemeinsam versuchen zu wehren?
Hier sind fast nur Junkies. Mein Kumpel und ich sind fast die einzigen, die nicht rauchen und keine Drogen nehmen. Deswegen ist hier das Potenzial eher gleich 0.
Der Kumpel von dir, ist der auch noch auf der Aufnahmestation?
Nein, den haben sie verlegt um mich abzufucken. Der hat mir immer essen gekocht als ich im Arrest war, das haben die sich 3 Tage angeschaut, dann hieß, er wird verlegt. Die offizielle Begründung war, dass er dann arbeiten gehen könne. Seine Verlegung ist jetzt schon 3 Wochen her und er arbeitet immer noch nicht.
Hört sich eh so an, als ob sie sich Mühe geben, es dir ungemütlich zu machen. Hast du eine Idee, weshalb?
Ich lass mir nichts sagen von denen, wie die mir so ich denen und wenn die mir extrem dumm kommen, bring ich mal nen Spruch und naja, meine Anwälte machen auch gut Stress hier und ich glaube es ist auch viel Neid.
Wenn man sich hier halt nicht den Mund verbieten lässt, kommt eben Repression. Aber auch bei denen, die sich angepasst hier drinnen verhalten, sieht es auch nicht besser aus. Die werden scheiße behandelt von den Beamten, machen dann nur nichts. Das will ich mir nicht gefallen lassen. Ich hab hier schon mehr Freiheiten. Wenn ich mal kochen will am Abend darf ich das meistens, weil die wissen, dass ich sonst wieder Dampf mache. Und so hab ich auch ein oder zweimal die Woche eine Stunde länger offen. Ich denke, es ist gut, sich hier drinnen zu wehren, um diese Freiheiten zu haben. Aber man muss dann halt mit Repressionen rechnen. Aber muss man halt auch, wenn man schweigt.
Anmerkung C4F: Wir hätten das Interview eigentlich gerne früher geführt, aber bei dem Gefangenen wurde ein Handy auf Zelle gefunden, weswegen er in den Arrest für eine Woche musste. Wir war der Arrest denn für dich?
Das war echt entspannt, hier ist nämlich Radio erlaubt, hab gut Party gemacht und gepennt. Wenn ich Freistunde hatte, stand ich am Fenster bei meinen Kollegen und wenn die Freistunde hatten standen die vor meinen Fenster. Die Beamten waren echt angepisst, hat mich 0 gejuckt und das haben die gemerkt.
Das könnte ja dann, deinen Erzählungen zu Folge, von Vorteil sein – oder zum Nachteil, weil das nächste Mal noch härtere Repressionsmaßnamen kommen.
An sich gibt es doch nur Fernseher raus für bis zu 3 Monaten, Sportverbot, Arrest und Einschluss – aber seien wir ehrlich, Einschluss ist hier eh keine Strafe sondern Alltag. Ich finde Fernseher klauen ist das schlimmste, weil die dann auch das Radio gleich mitwegnehmen.
Was findest du generell an der Knastzeit am schlimmsten?
Das mein Vollzugsplan einfach nicht erstellt wird, bzw. die allgemeine Vollzugsplanerstellung von 6-8 Monaten anstelle von zwei. Das nervt mich richtig. Solange man keinen Vollzugsplan hat, werden sogenannte „Resozialisierungsmaßnahmen“, die für die Haftzeit und auch für die Entlassung wichtig sind, verwehrt. Die kann man dann quasi nicht machen, weil sie noch nicht offiziell festgelegt worden sind. Heißt, es gibt zum Beispiel keine Substitutionsmaßnahmen, keine Straftataufarbeitung, keinen offenen Vollzug. Ich wäre aber gerne Ende nächsten Jahres im Offenen – was halt nicht passieren wird, wenn die diesen Vollzugsplan nicht erstellen. Ohne den kommt man im Knast nicht weiter. Mein Anwalt fängt jetzt an zu klagen, aber das wird alles wieder ewig dauern. Das ist mitunter das bitterste.
Wenn das mit der Klage so lange dauert – lohnt es sich dann überhaupt?
Auf jeden Fall. Ich klage fast gegen alles, was ich nicht in Ordnung finde. Wegen dem Arrest habe ich auch geklagt. Ich saß ja wegen dem Handy und sieben Tage Arrest wegen einem Handy auf der Zelle fand ich albern. Da fängt man eigentlich mit drei Tagen Arrest an.
Es ist außerdem so: wenn man gerichtlich beweisen kann, dass man „erschwerte Haftbedingungen“ hat, kann man eventuell Halbstrafe bekommen. Und eventuell Schadensersatz. Es lohnt sich also. Eher wegen der Halbstrafe als wegen der Kohle, das pfänden die Hunde sowieso. Aber es ist ja auch schön zu wissen, das man den Staat mit seinem eigenen Geld wieder bezahlt 😉
*Ernst Holtz e.K. Inhaber Ernst Rüdiger Holtz, Schlosstraße 1 in Bützow.