Korruption und Wahlen im Fokus der FARC-EP
Die ersten Wahlen im Kontext des kolumbianischen Wahlmarathons sind nun vorübergegangen und die Linke mit der Liste des Pacto Histórico konnte dabei durch ihre Kandidaten Gustavo Petro und Francia Márquez sehr gute Ergebnisse einfahren. Im Vorfeld gab es Erstaunen, dass es keine direkte Aufforderung der aufständischen Bewegung gab, sich den Wahlen zu enthalten oder für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen. Insgeheim war klar, dass sich innerhalb der Guerilla auch alles auf die Liste des Pacto Histórico fokussierte, mit der Hoffnung, dass es endlich einen politischen Wechsel in der Regierung gibt. Auch wenn natürlich generell kritisch gesehen wird, dass sich die Parteien in einem etablierten politischen System befinden, dass in den zurückliegenden 200 Jahren für die Ausbeutung der Menschen bekannt war. Aber in der Guerilla der FARC-EP hatte sich in der Geschichte festgesetzt, dass die Macht mit der Waffe oder auch politisch erreicht werden könne.
So gab es diesmal keine Einschränkungen an die Bevölkerung wählen zu gehen, jedoch Drohungen gegen politische Funktionäre, sollten diese die Wahlen für ihre Zwecke missbrauchen. Und so wurde in einem Kommuniqué des Comando Coordinador de Occidente (Westliches Koordinationskommando) deutlich gemacht, dass im Zuge des Wahlkampfes Stimmenkauf und nach den Wahlen auch politische Misswirtschaft und Korruption bestraft werden. Dabei berufen sie sich auf das Gesetz 003 aus dem Mai 2000, in dem behördliche Korruption unter Strafe gestellt und verfolgt wird. In dem Gesetz werden diejenigen zur Haftung gezogen, die sich widerrechtlich öffentliche Güter oder Gelder aneignen oder gleichermaßen Dritten diese Aneignung erleichtert. Diese Personen müssen die je nach Schwere des Verbrechens die Mittel mit Zinsen zurückzahlen oder werden in Haft genommen.
Vor Wahlen ist es in Kolumbien üblich, dass Feste von Politikern und Parteien veranstaltet werden, die teilnehmenden Menschen vergütet und verköstigt werden und sie dezent darauf hingewiesen werden, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Auch Geldschenkungen vor den Wahlen, teilweise direkt vor den Wahllokalen sind keine Seltenheit. Auf dem Land hat es Tradition, dass pünktlich vor den Wahlen Maßnahmen und Bauarbeiten in der Infrastruktur vorgenommen werden. Häufig sind es Arbeiten an Straßen und Wegen, in dem Gelder und Baumaschinen zur Verfügung gestellt werden. Diese Verhaltensweise setzt sich nach den Wahlen fort, so dass eine kleine Elite um die Politiker herum vom Reichtum profitiert, während die allgemeine Bevölkerung leer ausgeht. Diese Korruption und der Stimmenkauf haben eine lange Tradition und werden selten zur Rechenschaft gezogen. Die damalige Beschlussfassung des revolutionären Gesetzes 003 der FARC-EP sorgte für Jubelstürme in der früheren demilitarisierten Verhandlungszone von San Vicente del Caguán, als zwischen 1999 und 2002 der Friedensprozess stattfand.
Vom 7. März resultiert ein Kommuniqué des Westlichen Koordinationskommandos mit dem Titel „Über den Wahlkampf und die Anwendung des Gesetzes 003 von 2000 oder des Antikorruptionsgesetzes“, welches wir hier auszugsweise dokumentieren. Dieses Kommuniqué kann als weiterer Fakt für die politische Arbeit der aufständischen Bewegung im Südwesten Kolumbiens gesehen werden. Wir schon in den Jahrzehnten zuvor, wird die Guerilla in der Öffentlichkeit als Drogenmafia gebrandmarkt und ihr jegliche politische Substanz abgesprochen. Das Westliche Koordinationskommando besteht unter anderem aus den Fronten und mobilen Kolonnen Dagoberto Ramos, Jaime Martínez, Adan Izquierdo, Franco Benavides und Urías Rondón und sind mit den Strukturen um Iván Mordisco und Gentil Duarte im Osten des Landes verbündet.
Kommuniqué: Über den Wahlkampf und die Anwendung des Gesetzes 003 von 2000 oder des Antikorruptionsgesetzes
„Das kolumbianische Volk hatte sich in seinem Wunsch nach Veränderung daran gewöhnt, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens mit Verzweiflung zu sehen, die wir als eine solche Armee des Volkes bezeichneten, aber zu Wahlzeiten es wir zuließen, dass Plünderungen und Korruption im Land zu Ende gingen in von unseren Einheiten politisch und militärisch kontrollierten Gebieten, und dass wir in einigen Momenten dieser Geschichte auf Sabotage, das Verbrennen von Wahlurnen oder die Motivation zur Stimmenthaltung zurückgegriffen haben, Situationen, die aus Selbstkritik wenig oder gar nichts zur Transformation der kolumbianischen Gesellschaft beigetragen haben.“
„In diesem Moment der politischen Wahlen möchten wir das kolumbianische Volk und insbesondere die Provinzen Cauca, Valle, Nariño, Tolima und die Gemeinden im Einflussbereich des Westlichen Koordinationskommandos darüber informieren, dass wir beginnen werden, das Gesetz 003 von 2000 einzuhalten, das von unserer Organisation verabschiedet wurde, die sich auf Korruptionshandlungen aufgrund des Missbrauchs staatlicher Gelder oder Vermögenswerte bezieht. Und so haben wir mehrere Monate lang damit begonnen, relevante Informationen zu sammeln, die Leiter öffentlicher und privater Einrichtungen und Privatpersonen in Akte der Wahlkorruption mit Ressourcen der Kommunen oder der Nation und mit paramilitärischem Kandidaten verwickelt sind.“
So fordert die FARC-EP in ihrem Kommuniqué weiter, dass alle Personen in öffentlichen und politischen Funktionen, von den Bürgermeisterns über die Dorfräte bis hin zu den Wahljurys sich nicht dazu eignen, „die Maschinerie der Regierungsparteien weiter zu unterstützen.“ Es soll kein Druck mehr aufgebaut werden und an die politischen Führer wird gerichtet, „den Dialog und den Kauf von Stimmen oder die Verteilung von Baumaterialien oder Straßenreparaturen auszusetzen, die Senatoren in diesen Tagen in verschiedenen Gemeinden Westkolumbiens auf der Suche nach Stimmen geplant haben.“ In Kolumbien gibt es eine jahrhundertealte Tradition des Stimmenkaufs und der Korruption, so die Guerilla, so dass das kolumbianische Volk durch eine Elite ausgeraubt wird.
„Es gibt einen erklärten Krieg gegen das kolumbianische Volk und unsere Organisation durch die Regierung, den Regierungsparteien und ihren Institutionen. An diejenigen, die besonders die Kandidaturen des paramilitärischen Senators Juan Carlos Martinez Sinisterra oder Frau Dilian Francisca Toro fördern, die Drahtzieher vieler Massaker in Westkolumbien sind, fordern wir auf, diese Wahlkampfhandlungen und die Verteilung von Geschenken auszusetzen. Vermeiden Sie es, der Anwendung des Gesetzes 003 von 2000 unterworfen zu sein, wir werden das Gesetz 003 von 2000 oder Anti-Korruptions-Gesetz durchsetzen und die entsprechenden Prozesse durchführen.“
„Wenn die Institutionen des kolumbianischen Staates ihre Funktion nicht erfüllen, indem sie mit der nationalen Regierung zusammenarbeiten, die beabsichtigt, weiterhin an der Macht zu bleiben, wird unsere Organisation das Gesetz 003 von 2000 in allen Bereichen durchsetzen, in denen wir als Westliches Koordinationskommando der FARC-EP präsent sind.“
Dokumentiert: Gesetz 003 Behördliche Korruption
1. Kolumbien wird von der Geisel der Korruption geplagt, besonders von der Plünderung der öffentlichen Finanzen, die von den Möchtegern-Politikern und den Beamten der Nation, der Bundesstaaten, der Gemeinden und der dezentralisierten Institute in eine persönliche Bereicherungsquelle verwandelt wurden.
2. Dieser perverse Brauch ist doppelt schädlich, weil er die Moral des Landes verletzt und es stets tiefer in wirtschaftliche Rückständigkeit und soziale Ungerechtigkeit versinken lässt.
3. Die herrschende Straflosigkeit ist eine direkte Folge der Solidarität der politischen Kaste des Landes untereinander, in der einer den anderen deckt, je nachdem, wer gerade der jeweiligen Regierung vorsteht. Deren Meinungsverschiedenheiten sind nur Streitereien, um festzulegen, wer sich den Kuchen des Staatshaushaltes teilt.
4. Trotz aller Rhetorik hat keine Regierung wirksame Maßnahmen zur Ausrottung dieses Übels getroffen.
5. Für die FARC-EP steht fest, dass die endgültige Beseitigung der behördlichen Korruption nur durch die Ersetzung des Staates und seines politischen Regimes mit einem Staat, der tief im Wesen des Volkes verankert ist und auf der Grundlage von Ethik und Moral des Gemeinwohls erzielt werden kann.
Der Oberste Generalstab der FARC-EP beschließt daher angesichts der Bedeutung und der Wirkung des Phänomens in der aktuellen Krise
§1
Wer sich widerrechtlich öffentliche Güter oder Gelder aneignet oder gleichermaßen Dritten diese Aneignung erleichtert, muss diese Mittel dem gesetzlichen Eigentümer vollständig zurückerstatten, zuzüglich entsprechender Zinsen zum bei der Rückgabe geltenden Bankzinssatz.
§2
Derjenige muss außerdem entsprechend der Höhe und der Schwere des begangenen Verbrechens eine Strafe bezahlen, die umso höher ausfällt, je höher die administrative Position angesiedelt ist, in der die Straftat begangen wurde. Diese Buße kann bis zur Enteignung gehen.
§3
Derjenige wird entsprechend den vorherigen Kriterien in Haft genommen.
§4
Diejenigen im Privatsektor, die Belohnungen, Entschädigungen oder Anteile an Beamte ausschütten, um dadurch Vorteile zu erlangen, werden nach den gleichen obigen Kriterien bestraft.
§5
Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Veröffentlichung in Kraft.
Zur Befolgung
Plenum des Obersten Generalstabes der FARC-EP
In den kolumbianischen Bergen, Mai 2000
Weitere Infos: https://kolumbieninfo.noblogs.org/