Finanzielle Unterstützung für Giannis Michailidis – Seit 23.05. im Hungerstreik
Genoss*innen, der Anarchist G. Michailidis befindet sich seit etwa 2 Monaten im Hungerstreik, mit dem Ziel, seine Freilassung zu erreichen. Seit Ende Mai hat sich eine vielfältige und dynamische Solidaritätsbewegung entwickelt, die das Schweigen bricht, das der Staat dem Kampf von Giannis aufzuerlegen versucht. Demos, Interventionen, Konflikte mit der Polizei, nächtliche Anschläge sind der Ausdruck einer Massenbewegung, die sich immer weiter aufbäumt. Die Konfrontation mit dem Staat nimmt täglich zu. Es kommt in verschiedenen Teilen Athens zu Konflikten mit den Repressionsbehörden und die Aktionen in allen Regionen des Landes häufen sich. Der Kampf befindet sich derzeit an seinem wichtigsten Wendepunkt, da die Bewegung im Hinblick auf den Gerichtstermin am 25.7., der in letzter Instanz über den Antrag des Genossen auf Entlassung aus dem Gefängnis entscheiden wird, in Massen auf die Straße geht. Wir bitten um die finanzielle Unterstützung von Genossen aus aller Welt. Befreien wir G. Michailidis aus den Händen des Staates! Unterstützen wir finanziell den Kampf für die Freilassung von Giannis! Solidarität mit dem anarchistischen Hungerstreikenden! Sieg dem Kampf von G. Michailidis! Sofortige Freilassung!
Hier könnt ihr finanziell unterstützen: https://www.firefund.net/struggle4michailidis
Text von G. Michailidis zum Beginn seines Hungerstreiks:
Nach 8,5 Jahren im Gefängnis, nach all diesen willkürlichen Maßnahmen gegen mich, habe ich beschlossen, meine 11 Jahre des Leidens zu beenden, indem ich eine Barrikade gegen die Praxis der Untersuchungshaft oder die zusätzliche Strafe für die Flucht mit rechtlichen Schlupflöchern errichte. Nach weiteren 5 Monaten Untersuchungshaft trete ich in einen Hungerstreik für meine Freilassung. Diese Entscheidung, die ich mit der starken Motivation der ersehnten Freiheit treffe, werde ich mit der gleichen Konsequenz verfolgen wie meine bisherigen Entscheidungen, für die ich nun aus Rache bestraft werde.
„Wehe denen, die das Gefängnis als einen Zustand des Lebens akzeptieren,
und vom hellsten Sonnenlicht den kleinsten Strahl“
– Der Slogan des Gefängnisaufstandes in Alikarnassos
Seit 11 Jahren erlebe ich die Rache des Staates gegen Entscheidungen, die mit meinen Werten und Ideen übereinstimmen. Die schwierige Reise, von der ich einige eklatante Racheakte der Willkür gegen mich erzählen möchte, begann im fernen Jahr 2011, als gegen mich ein Haftbefehl wegen des Falles „Verschwörung der Feuerzellen“ ausgestellt wurde, für den ich schließlich freigesprochen wurde, da es nicht die geringste Verbindung zwischen mir und der Anklage gegen mich gab. Es war die Anschuldigung einer solidarischen Beziehung zu gesuchten Anarchist*innen, die mich bei ihrer Verhaftung an ihre Stelle setzte.
Nach zwei Jahren auf der Flucht trete auch ich nun durch die schweren Türen des Gefängnisses, denn das Vorliegen eines Haftbefehls, der ein Jahrzehnt Haft nach sich zieht, hat zu bestimmten Entscheidungen und daraus folgenden Fehlern geführt. Die Genoss*innen, die damals bei dem Banküberfall in Velvento, Kozani, verhaftet wurden, wurden von der Polizei gefoltert, was üblich ist, und dann veröffentlichte das Ministerium für öffentliche Ordnung Fotos von unseren geschwollenen Gesichtern, was eine öffentliche Reaktion hervorrief. Natürlich wurde kein Polizist*in von der blinden griechischen Justiz dafür angeklagt.
Nach 1,5 Jahren, als sich die 18 Monate dem Ende zuneigten, fand ich mich mit einer weiteren Untersuchungshaft im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Verschwörung der Feuerzellen konfrontiert, mit einer Akte, die meinen Namen als Teilnehmer an Taten enthielt, mit denen ich nichts zu tun hatte, ohne auch nur ein einziges Beweisstück oder eine Zeugenaussage. Da die Drecksarbeit bereits erledigt war und ich in dem Fall des Bankraubs bereits verurteilt worden war, wurde ich schließlich freigesprochen. Diese besondere Strategie der Mehrfachverhaftungen ohne Beweise und der Zersplitterung einzelner Fälle war das Instrument, mit dem der Staat dafür sorgte, dass anarchistische Gefangene auch nach Ablauf der 18-monatigen Höchsthaftdauer ohne Prozess im Gefängnis blieben, während die faschistischen Mörder nach Ablauf der 18-monatigen Haftzeit ihre Freiheit genossen.
Außerdem wurde ich von einem blinden Gericht wegen versuchten Totschlags an einem Polizeibeamten verurteilt, obwohl ich zum Zeitpunkt des Vorfalls unbewaffnet war, weil ich laut Anklageschrift versucht hatte, ihn mit Hilfe des Polizeiautos, das ich mir geschnappt hatte, um der Festnahme zu entgehen, zu ermorden.
Auf dem Höhepunkt der richterlichen Willkür werde ich wegen des Besitzes von Munition, die im Haus des Genossen Dimitris Politis gefunden wurde und die er als die seine deklarierte, zu weiteren 11 Jahren Gefängnis verurteilt, mit der unvorstellbaren Begründung, dass wir sie alle zusammen besessen hätten, um „individuellen Terrorismus“ zu begehen, jeder für sich und allein. Dieser Fall und die hohen Strafen, die er nach sich zog, sind übrigens bis heute die einzige Anwendung des Gesetzes über individuellen Terrorismus in der griechischen Justizchronik. Die Tatsache, dass diese beispiellose Lächerlichkeit auch noch vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde, zeigt, wie sehr die „unabhängige“ Justiz mit den Richtlinien von Partei und Regierung verflochten ist und wie üblich es geworden ist, Fälle mit rechtlichen Schlupflöchern zu verhandeln.
Lasst uns ein paar Worte über den „heiligen“ Bildungsprozess im Rahmen der Strafvollzugserziehung sagen. Nach dem Hungerstreik des Genossen Nikos Romanos, an dem ich die Ehre hatte, aus Solidarität teilzunehmen, wurde das Recht auf Bildungsurlaub für alle Gefangenen, unabhängig von ihrem Status, durchgesetzt. So gelang es mir nach Verzögerungen und Verschleppung nach 5 Jahren Haft, 1,5 Jahre lang Kurse an der Landwirtschaftlichen Universität von Athen zu besuchen. Nach 6,5 Jahren, und da ich bereits in einem landwirtschaftlichen Gefängnis sitze und von dort bereits viele Bildungsgenehmigungen erhalten habe, beschließt der Staatsanwalt von Tirynthas, dass meineSchule weit weg ist, und streicht mir daher die Genehmigungen. Mir wird vorgegaukelt, dass sie mich für die Prüfung freistellen werden, was auch nicht der Fall ist. Dann wird mir mitgeteilt, dass auch mein regulärer Urlaub gestrichen wird, wieder mit einem juristischen Schlupfloch, was bedeutet, dass ich in das geschlossene Gefängnis zurückkehren und meinen wertvollen Lohn verlieren würde, und ich werde erneut zur Flucht getrieben. Nachdem ich wieder gefangen genommen wurde und einen Antrag auf Verlegung nach Korydallos aus erzieherischen Gründen gestellt hatte, wie es in den Gesetzen vorgesehen ist, entschied sich die KEM (Zentraler Verlegungsausschuss), meine Anträge nicht zu beantworten, da sie sie nicht ablehnen können. Obwohl sie gesetzlich „verpflichtet“ sind, innerhalb von 40 Tagen zu antworten, warte ich immer noch… Und das, obwohl ich alle theoretischen Kurse meiner Schule unter widrigen Bedingungen absolviert habe (für die Praktika muss ich physisch anwesend sein, was mir offenbar nicht erlaubt wird, wenn ich nicht hingehe).
Am 29. Dezember 2021, nachdem ich drei Fünftel meiner 20-jährigen Haftstrafe und zwei Fünftel der Strafe für den Ausbruch verbüßt habe, also insgesamt acht Jahre und drei Monate, ruft mich die Gefängnisverwaltung auf, den Antrag auf Entlassung unter Auflagen zu unterschreiben.
In der letzten Episode wurde ich wiederum mit der üblichen Politik des Gefängnisapparats konfrontiert, sich an ungehorsamen Gefangenen zu rächen, indem er die Entlassung auf Bewährung verweigerte, obwohl die wesentliche Bedingung der erfolgreiche Abschluss meines Schulkurses war (was mich daran hinderte, ihn zu beenden) und ich bereits einen Arbeitsplatz gefunden hatte. Wieder mit einer Gesetzeslücke. Diesmal mit dem Argument der potentiellen Gefährlichkeit … als Vorsichtsmaßnahme. Da nicht genug Zeit verstrichen ist, um mich zu „rehabilitieren“ und zu korrigieren… Offensichtlicher Unsinn, den sie nicht einmal selbst glauben, sie reproduzieren ihn einfach prozessmäßig, indem sie das Leben von so vielen Gefangenen zerstören. Natürlich werden wirklich gefährliche Wiederholungstäter*innen, wie z. B. Vergewaltiger, in dieser Argumentation nicht berücksichtigt, da sie als die abscheulichen Subjekte, die sie sind, einwandfrei mit dem Strafvollzugssystem kooperieren und von vorzeitiger Entlassung und Bewährung profitieren. Gefährliche Personen werden in der Regel als solche bezeichnet, die die würdige Entscheidung getroffen haben, zu fliehen, was das Gesetz nicht hart bestrafen soll, weil der Gesetzgeber anerkennt, dass es für jeden Menschen normal ist, seine Freiheit zu erlangen. Aus diesem Grund sind die Beamten des Systems mit der Anwendung des Gesetzes nicht zufrieden und erweitern seine Auslegung.
Die Gesetzeslücke ist die Regel für das Funktionieren des Systems. Die Richter*innen, die es anwenden, wurden wahrscheinlich irgendwie als Handlanger*in der Partei ernannt und machen Karriere auf dem Rücken der armen Gefangenen, die sie mit großer Leichtigkeit an den Galgen schicken, indem sie Jahre wie Kichererbsen verteilen, während riesige Geldsummen durch mächtige Anwält*innen fließen, damit diejenigen, die es haben, freigelassen oder nicht einmal inhaftiert werden. Das Gleiche gilt für ihre eigenen Kinder, für die legale Schlupflöcher geöffnet werden, um sie zu befreien…
Wie der Bullenmörder des Genossen Alexandros Grigoropoulos, Korkoneas, den die Justizmafia vorzeitig freiließ, was eine breite Gegenwehr hervorrief, die zu seiner erneuten Inhaftierung führte.
Wie die Bullen, die Nikos Sampanis in Perama kaltblütig ermordet haben.
So wie die Gefängniswärter, die Ilir Kareli zu Tode gefoltert haben und freigesprochen wurden.
So wie Frau Vlahaki, die in den Energa-Millionenskandal verwickelt war, die durch Abschneiden ihres Armbandes entkam und nur wenig Zeit im Gefängnis verbrachte, da sie sofort auf Bewährung entlassen wurde.
So wie Fourthiotis, der sich beim Justizministerium eingeschleimt hat und nach sechs Monaten aus dem Gefängnis entlassen wurde, dann aber wieder inhaftiert werden konnte, weil er die schmutzige Wäsche der Regierung an die Öffentlichkeit brachte.
Wie Vaggelis Marinakis, der von der Anklage wegen 3 Tonnen Heroin mit der Begründung freigesprochen wurde, dass ein prominenter Geschäftsmann wie er nicht mit so etwas in Verbindung gebracht werden könne. Das letztgenannte Beispiel, von dem ich nicht weiß, ob er schuldig ist oder nicht, und das mich auch nicht interessiert, ist gerade deshalb von besonderer Bedeutung, weil es den Klassencharakter des Justizsystems am deutlichsten demonstriert. Wenn ein Drogenkonsument wegen des Besitzes einer geringen Menge Drogen verhaftet wird und sich in einer Gruppe von drei Personen befindet, wird er natürlich aufgrund des juristischen Schlupflochs der kriminellen Vereinigung verurteilt (weshalb es in Griechenland mehr kriminelle Vereinigungen gibt als in Italien oder Mexiko).
Über die Beispiele ließe sich ein ganzes Buch schreiben, ich weiß nicht, wie viele Bände, also komme ich zum Kern dieses Briefes. Nach 8,5 Jahren im Gefängnis, nach all diesen willkürlichen Maßnahmen gegen mich, habe ich beschlossen, meine 11 Jahre des Leidens zu beenden, indem ich eine Barrikade gegen die Praxis der Untersuchungshaft oder die zusätzliche Strafe für die Flucht mit rechtlichen Schlupflöchern errichte. Nach weiteren 5 Monaten Untersuchungshaft trete ich in einen Hungerstreik für meine Freilassung. Diese Entscheidung, die ich mit der starken Motivation der ersehnten Freiheit treffe, werde ich mit der gleichen Konsequenz verfolgen wie meine bisherigen Entscheidungen, für die ich nun aus Rache bestraft werde.
Es ist mein tiefer Wunsch, dass dieser Hungerstreik ein weiterer Auslöser für die Wiederbelebung des allgemeinen Kampfes gegen das Kapital und die Staaten wird. Das kapitalistische System, das die Hälfte des Reichtums der Erde in einer Elite von 1 % konzentriert, während der Rest rapide verarmt, versklavt lebende Seelen, nicht nur unserer Spezies, unter den qualvollen Bedingungen der industriellen Produktion. Seine Konzerne, die bei der Plünderung der natürlichen Ressourcen konkurrieren, zerstören die natürliche Welt, während sie den Planeten an den Rand des Klimawandels treiben und das größte Artensterben seit Millionen von Jahren verursachen. Die staatliche Strukturierung der Gesellschaft, die von ihren linken und rechten Verwalter*innen als notwendig vermarktet wird, mit ihrer zentralisierten sozialen Struktur, um eine allgemeine Versklavung durchzusetzen und die Rentabilität des Kapitals zu gewährleisten. Die Staaten, im Westen wie im Osten, deren Monopol auf legitime Gewalt ganze Bevölkerungen auslöscht, entweder mit hochmodernen Massenvernichtungswaffen oder durch die Instrumentalisierung des Hungers durch die Zerstörung von Infrastrukturen, wie in einer Reihe von Konflikten der Gegenwart in Palästina, Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Jemen, Ukraine. Die internationalen Bündnisse, die die Erde in ein Pulverfass mit nuklearen Sprengköpfen verwandelt haben, die sie buchstäblich in die Luft zu jagen drohen, beweisen, dass die Staaten die wahren Terrorist*innen sind.
Angesichts des Generalangriffs, den die Staaten und das Kapital auf alles Lebendige, einschließlich unserer Spezies, gestartet haben, ist es so notwendig und zeitgemäß wie eh und je, unseren Widerstand zu organisieren und voranzutreiben, indem wir jede Form der hierarchischen Organisation ablehnen, die den Kampf anfällig für Manipulationen macht, die entweder zur Reproduktion des Systems oder zu seiner Assimilierung im System führen. Die Schärfung und Vereinheitlichung der einzelnen Aspekte des Kampfes gegen die Staatsmaschinerie durch dezentralisierte Netzwerke von Öko-Gemeinschaften und Kampfgemeinschaften ist das Schlüsselinstrument der Radikalisierung in Richtung einer Schwächung der Abhängigkeit der Menschen vom industriellen kapitalistischen System, das Grund und Boden zerstört und ihr Überleben bedroht.
Deshalb verstehe ich in dieser kritischen Zeit den Kampf, den ich für meine Freiheit führe, auch als einen verzweifelten Versuch, an dem größeren Kampf teilzunehmen, von dem mich meine lange Inhaftierung abgeschnitten hat. Deshalb bin ich nicht der Meinung, dass ich die ausschließliche Bezugnahme auf die Bewegung beanspruchen sollte, sondern schlage vielmehr vor, den Kampf für die Befreiung der inhaftierten Anarchist*innen wieder mit den Ideen zu verbinden, die sie zum Konflikt mit dem System geführt und ihre Inhaftierung verursacht haben. Denn ich suche nicht das Interesse von irgendjemandem als Opfer staatlicher Repression, sondern als aktives soziales und politisches Subjekt, das meinen Zustand der Inhaftierung als Teil des Angriffs von Staat und Kapital auf diejenigen sieht, die sich bewusst gegen sie stellen. Vielmehr fordere ich eine Beziehung revolutionärer Solidarität auf der Grundlage gemeinsamer Perspektiven und eines gemeinsamen Kampfes mit mehreren Rändern, der die Wut koordiniert, die von verschiedenen Menschen unter unterschiedlichen Bedingungen, aber mit den gleichen Ursachen, empfunden wird.
Und schließlich, da ich weiß, dass dieser Streik möglicherweise der letzte Teil meiner Reise ist, möchte ich ihm genau die Dimension geben, die mich als Ganzes zum Ausdruck bringt:
Der Kampf für die Freiheit eines Einzelnen, der Kampf für die Freiheit aller…
…bis zur Zerstörung des letzten Käfigs
Giannis Michailidis,
ein Gefangener in Untersuchungshaft im Malandrinos-Knast
23. Mai, 2022