Was steckt hinter dem Zug-Chaos? Landeskriminalamt übernimmt Ermittlungen wegen Sabotage

Bei der Bahn ist am Samstagmorgen der Zugfunk ausgefallen. Stundenlang lag in Norddeutschland der Zugverkehr lahm, der Grund soll Sabotage sein. Nun ermittelt das Landeskriminalamt.

Stundenlang ging am Samstag auf den Schienen im Norden nichts mehr. Der Grund: Unbekannte hatten wichtige Kommunikationskabel zerstört. Nun sucht die Polizei nach den Tätern. Die Ermittlungen würden dabei in alle Richtungen geführt, erklärte die Bundespolizei.

Am Abend wurden die Ermittlungen dann an das Landeskriminalamt in Berlin übergeben, wie Sprecher der Bundespolizei und des Berliner Lagezentrums am frühen Sonntagmorgen bestätigten. „Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen“, sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin der Deutschen Presse-Agentur. „Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen.“
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Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in NRW vorsätzlich so genannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen. „Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen“, sagte der Sprecher. Zu weiteren Details könne er auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Die großflächigen Ausfälle im Zugverkehr in Norddeutschland gehen nach Aussage der Bahn auf Sabotage zurück. „Aufgrund von Sabotage an Kabeln, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind, musste die Deutsche Bahn den Zugverkehr im Norden heute Vormittag für knapp drei Stunden einstellen“, sagte eine Sprecherin am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die zuständigen Sicherheitsbehörden hätten die Ermittlungen aufgenommen.

Auch in Berlin wurden Kabel angegriffen

Informationen des Tagesspiegels untermauern, dass Unbekannte auch in Berlin Kabel angegriffen haben Dies geht aus einer internen Mail der Bahn an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen hervor, demnach wurden zeitgleich Lichtwellenleiter (LWL) in Herne und Berlin „durch Dritte vorsätzlich durchtrennt“.

Demnach seien die Kabel in Berlin-Hohenschönhausen „zielgerichtet“ angegriffen worden. Durch die zeitgleichen Anschläge im Ruhrgebiet und Berlin sei dann in Norddeutschland der Zugfunk ausgefallen. Nähere Auskünfte über die Vorgehensweise lehnte die Bundespolizei aus ermittlungstaktischen Erwägungen ab. Die Vorgehensweise könne darauf schließen lassen, dass der oder die Täter „gewisse Kenntnis und Wissen“ hatten, sagte der Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin. Es werde in alle Richtungen ermittelt, auch was das Motiv angehe.

Seit 2010 mehrere Anschläge von Linksextremisten in Berlin

Ob es einen Zusammenhang mit der AfD Großdemo in Berlin gibt, ist unklar. Seit etwa 2010 hatte es mehrere Anschläge von Linksextremisten in Berlin aber auch in Brandenburg überwiegend auf Kabel der Bahngegeben, aber auch Mobilfunk und Stromversorgung sind angegriffen worden.

Immer hatten der oder die Täter mit wenig Aufwand massive Auswirkungen verursacht. Vor genau zwei Jahren hatte eine „Feministisch-Revolutionär-Anarchistische-Zelle“ Kabel der S-Bahn am Ostring zerstört, in einem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben wurde Bezug genommen auf die bevorstehende Räumung des Hauses Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain.

Die Polizei geht seit Jahren davon aus, dass mindestens einer der Täter Insiderkenntnisse vom Bahnbetrieb haben muss, da immer die entscheidenden Knoten getroffen wurden. Nach Informationen aus Bahnkreisen war auch die Rückfallebene für den digitalen Zugfunk ausgefallen, deshalb musste der Verkehr komplett eingestellt werden. Eine solche flächendeckende massive Störung hat es lange nicht gegeben.

Die Täter wurden nie gefasst. Bis Sonnabendnachmittag ist kein Selbstbezichtigungsschreiben der Täter bekannt geworden. In der Vergangenheit waren diese meist auf der linksextremistischen Internetseite „indymedia“ veröffentlicht worden.

In der Vergangenheit hatten die Täter meist die Berliner S-Bahn angegriffen, zum Beispiel Kabel der Sicherungstechnik. Mehrfach hatte es tagelange Ausfälle gegeben.

Enorme Auswirkungen auf Bahnverkehr am Samstag

Die Auswirkungen der Anschläge waren auch am Sonnabend immens. Ausgerechnet zum Start ins Wochenende wurden unzählige Bahnreisende am Samstagmorgen ab etwa 7 Uhr ausgebremst. Eine Störung legte den gesamten Fern- und Regionalverkehr in Norddeutschland lahm. Gegen 10 Uhr meldete die Bahn, dass der Verkehr „langsam wieder anläuft“.

Auch Berlin war betroffen: Laut Fahrplanauskunft fielen alle ICE und IC/EC nach Hamburg aus.

Nach Angaben der Deutschen Bahn führte eine technische Störung in Norddeutschland zum kompletten Stillstand. „Die Störung betrifft den Regional- und Fernverkehr in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Züge werden an den jeweiligen Bahnhöfen zurückgehalten“, teilte das Unternehmen mit.

Grund war der Ausfall des digitalen Zugfunk-Systems „GSM-R“, hieß es. „Es gibt derzeit keine Reisemöglichkeiten mit dem Fernverkehr von/nach Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in/aus Richtung Kassel-Wilhelmshöhe, Berlin und NRW“, hieß es auf der Internetseite der Bahn. Der Regionalverkehr in Berlin-Brandenburg und zur Ostsee war nicht betroffen.

Gegen 10 Uhr meldete das interne Streckenportal der DB, dass der Fehler behoben sei: „Nach Wiederherstellung der Kommunikationseinrichtungen läuft der Verkehr seit 10:00 sukzessive wieder an.“

Eine solche flächendeckende massive Störung hat es lange nicht gegeben. Eine Prognose, wann das System wieder läuft, gab es anfangs nicht. Nach internen Angaben war auch die Rückfallebene für den digitalen Zugfunk ausgefallen, deshalb musste der Verkehr komplett eingestellt werden.

Im März dieses Jahres war in weiten Teilen Polens der Bahnverkehr gestoppt worden durch einen Softwarefehler. Grund war ein so genannter „Zeitformatierungsfehler“, wie der Hersteller Alstom mitteilte. Deshalb sei auch in anderen Ländern, die die Alstom-Technik nutzen, der Verkehr gestört gewesen. Eine Cyber-Attacke hatte Alstom ausgeschlossen.

Die Bahn empfiehlt Reisenden, sich kurz vor geplanten Fahrten über www.bahn.de/reiseauskunft, über die App „DB Navigator“ oder telefonisch unter 030/2970 zu informieren.

Politiker fordern besseren Schutz der Infrastruktur

Nach dem Sabotage-Akt gegen die Deutsche Bahn mehren sich die Forderungen nach einem besseren Schutz der Infrastruktur. Der SPD-Fraktionsvize und Verkehrspolitiker Detlef Müller forderte dazu von der Bahn, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und den Sicherheitsbehörden ein Konzept.

Zur kritischen Infrastruktur gehörten nicht nur Schienen und Züge, sondern auch digitale Leit- und Sicherungstechnik, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntagausgaben). Die Technik müsse beim Neubau und der Sanierung von Strecken „zugriffssicher verlegt werden“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, rief dazu auf, die Ergebnisse die Polizeiermittlungen abzuwarten. „Unabhängig von diesem Fall müssen wir über die Sicherheitsarchitektur Deutschlands und der EU neu nachdenken“, sagte Frei dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Das neue Zeitalter hybrider Kriegsführung verlangt eine Anpassung unserer Konzepte.“

Die Grünen erneuerten ihre Forderung, Mittel aus dem Bundeswehr-Sondervermögen für den Schutz der kritischen Infrastruktur zu verwenden. Das sei bislang jedoch am Widerstand der Union gescheitert, sagte die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wir sind bereit, hier nachzubessern“, sagte Mihalic und forderte, die Mittel ansonsten aus dem Haushalt bereitzustellen. (mit AFP/dpa)

 

https://www.tagesspiegel.de/berlin/landeskriminalamt-ubernimmt-ermittlungen-wegen-sabotage-8728144.html

passiert am 8.10.2022