A New Spirit of Resistance
Quelle: https://electronicintifada.net/content/new-spirit-resistance/36581
A new spirit of resistance
Von Ahmed Abu Artema
Für eine große Zahl von Palästinenser*innen ist Udai Tamimi ein Vorbild. Er wurde getötet, als er seine Heimat und die Würde seines Volkes verteidigte.
Am 8. Oktober erschoss Tamimi einen israelischen Soldaten in der Nähe von Schuafat, einem refugee camp im Raum Jerusalem. Obwohl eine Reihe anderer Soldaten vor Ort waren, gelang es niemandem, Tamimi gefangen zu nehmen oder zu töten. Nach seiner Flucht blieb Tamimi 11 Tage auf freiem Fuß. Während dieser Zeit sperrten die israelischen Streitkräfte Schuafat ab und führten umfangreiche Suchaktionen durch, um Tamimi zu finden. Die Einheimischen im Lager taten ihr Bestes, um die Menschenjagd zu vereiteln. Viele Jugendliche rasierten ihre Köpfe, um Tamimi zu ähneln und die israelischen Soldaten, die nach ihm suchten, zu verwirren.
Tamimi tauchte am 19. Oktober auf höchst dramatische Weise wieder auf. In der Nähe von Maaleh Adumim, einer riesigen zionistischen Siedlung in der West Bank, schoss er auf israelische Soldaten.
Tamimi geriet prompt selbst unter Beschuss, schoss aber weiter, selbst als er verletzt am Boden lag. Er starb kurze Zeit später.
Nachdem sein Tod bestätigt wurde, veröffentlichte die israelische Presse ein Video, in dem Tamimi inmitten eines Kugelhagels zu Boden geht.
Es ist nicht klar, ob die Absicht hinter der Verbreitung dieser Bilder darin bestand, israelische Ängste zu zerstreuen oder Palästinenser*innen zu demütigen. Unabhängig von der Absicht ging der Schritt nach hinten los.
Dank des Videos haben wir einen klaren Beweis für Tamimis außergewöhnlichen Mut. Tamimis letzte Momente zeigen den palestinänsichen Unterdrückten, der sich dem israelischen Aggressor entgegenstellt. Ein Palästinenser, dessen Heimat gestohlen wurde, hofierte den Tod. Ein solcher Mut entsteht nicht aus dem Nichts. Es entspringt dem Glauben an die Gerechtigkeit der palästinensischen Sache.
Triebkraft
Die Geschichte von Udai Tamimi muss in einen größeren Kontext gestellt werden. In den letzten Monaten hat sich die Lage in West Bank deutlich verändert. Ein neuer Geist hat sich entwickelt. Die Menschen haben eine neue Kraft gefunden. Jeden Tag unternehmen Palästinenser*innen einen Akt des Widerstands gegen die israelische Besatzung. Die treibende Kraft dieser Welle des Widerstands sind junge Menschen, die nicht an der ersten oder zweiten Intifada teilgenommen haben. Udai Tamimi war erst 22 Jahre alt. Ibrahim al-Nabulsi, der im August von der israelischen Armee getötet wurde, wurde 2003 geboren.
Al-Nabulsi war noch nicht geboren, als 2002 die „Operation Defensive Shield“ stattfand, Israels Invasion in Städte in der West Bank, die den Oslo Verträgen nach, unter der Kontrolle der „Palestinian Authority“ standen. Tamimi war zu jung, um sich daran zu erinnern. Obwohl diese Generation sich dieser Schrecken damals nicht bewusst waren, wuchsen sie in der Erfahrung täglicher Unterdrückung auf. Sie wuchsen inmitten der ständigen Demütigungen auf, die den Palästinenser*innen an israelischen Checkpoints zugefügt wird. Sie wuchsen mit der allgegenwärtigen israelischen Mauer auf.
Im vergangenen Jahr griff Israel Gläubige in der Al-Aqsa-Moschee an, einer der heiligsten Stätten des Islam. Dieser Akt der Schändung gehörte zu den zahlreichen Verbrechen, die Israel in Jerusalem begangen hat – einer Stadt, die aktiv kolonisiert wird. Die Empörung über diese und andere Verbrechen hat Palästinas junge Kämpfer*innen mit revolutionärem Eifer erfüllt. Der Widerstand, der jetzt in der West Bank stattfindet, scheint nicht von den Anführer*innen der großen palästinensischen Parteien geplant worden zu sein. In den letzten Wochen hat eine Gruppe namens Lions Den die Verantwortung für viele Widerstandsaktionen gegen die israelische Armee übernommen. Diese Gruppe aus Nablus hat Mitglieder aller palästinensischen Parteien in ihren Reihen.
Dies stellt ein neues Gefühl der Zusammenarbeit unter jungen Palästinenser*innen dar – eine Kooperation, die nicht auf traditionelle Parteien angewiesen ist.
Trotz
Fathi Khazem ist ein Palästinenser auf der Flucht vor der israelischen Armee. Israelische Soldaten haben in den letzten Monaten zwei seiner Kinder getötet, das Haus seiner Familie zerstört und ihn weiter verfolgt. Er hat sich geweigert, sich zu stellen. Fathi Khazem ist ein ehemaliger Sicherheitsbeamter der „Palestinian Authority“. Seine Missachtung der israelischen Besatzung ist ein Beweis dafür, dass der revolutionäre Geist unter den Palästinenser*innen stark bleibt.
Bevor er getötet wurde, schrieb Udai Tamimi eine handschriftliche Notiz, die im Internet veröffentlicht wurde.
„Ich bin Udai Tamimi, ein gesuchter Mann aus dem Flüchtlingslager Schuafat“, heißt es in der handgeschriebenen Nachricht. „Meine Operation gegen den Schuafat-Kontrollpunkt ist ein Tropfen im tosenden Meer des Kampfes. Ich weiß, dass ich früher oder später zum Martyrer werde. Ich weiß, dass ich Palästina mit meiner Operation nicht befreien werde, aber ich möchte Hunderte von Jugendlichen ermutigen, ihre Waffen nach der Operation in die Hand zu nehmen.
Ibrahim Al-Nabulsi nahm kurz vor seinem Tod durch israelische Soldaten eine Sprachnachricht auf. Er schickte nicht nur seine Liebe zu seiner Mutter, sondern forderte seine Genoss*innen auf, ihre Waffen nach seinem Tod nicht aufzugeben.
In der vergangenen Woche tötete Israel den Lions Den-Kämpfer Tamer Al-Kilani. Er hatte einen Facebook-Post geschrieben, in dem er schreibt: „Die schlechteste Person ist jene, die in einer Nation, in der die Wahrheit gegen die Lüge kämpft, neutral bleibt“. Solche Botschaften sind letzter Wille und Testament eines palästinensischen Kämpfers. Sie werden nach dem Tod ihrer Autoren weit verbreitet.
Junge Palästinenser*innen werden durch diese Botschaften in ihrer Widerstandsfähigkeit gestärkt. Ihre Authentizität ist klar, weil die Kämpfer, die sie geschrieben oder aufgenommen haben, der israelischen Besatzung direkt entgegengetreten sind.
Bis vor kurzem war es leicht, an der Situation in der West Bank zu verzweifeln. Durch Israels „Sicherheitskoordination“ mit der „Palestinian Authority“ wurde der Spielraum für Widerstand enger. Die Veränderung in den letzten Monaten war spürbar. Während es Israel und der „Palestinian Authority“ gelingen mag, die Aktionen der Kämpfer etwas einzuschränken, werden sie die Entschlossenheit der Palästinenser*innen zum Widerstand nicht zerstören.
Israel leugnet die neue Situation. Sie hat die Grundursache des palästinensischen Widerstands in der West Bank ignoriert – die Besatzung.
Egal wie oft Israel denken mag, es habe die Palästinenser*innen besiegt, der Widerstand wird immer wiedergeboren werden.