Seite an Seite mit Alfredo Cospito und Anna Beniamino – updates von den Anhörungen der letzten Tage-
Seite an Seite mit Alfredo Cospito und Anna Beniamino
– updates von den Anhörungen der letzten Tage-
Am 1. Dezember fand die Anhörung in der Berufung gegen die Anwendung des 41bis auf den Gefährten Alfredo Cospito im Überwachungsgericht in Rom statt. Die Richter haben nicht entschieden. Während unser Gefährte seinen am 20 Oktober begonnenen Hungerstreik fortsetzt und dabei sein Leben aufs Spiel setzt, lassen sich die Richter alle Zeit darüber zu entscheiden ob sie Alfredo in dem Folterregime 41bis belassen oder nicht .
Am 5. Dezember fand die zweite Anhörung des Berufungsprozesses im Scripta Manent Verfahren gegen die Gefährten Alfredo und Anna Beniamino statt. Ihnen wird ein Anschlag auf die Carabinieri Ausbildungsstätte in Fossano (Cuneo) vorgeworfen. Die Generalstaatsanwaltschaft fordert 27 Jahre und einen Monat für Anna und Lebenslänglich ohne Bewährungsmöglichkeit und 12 Monate Isolationshaft (den Tag über) für Alfredo. Damit geht sie sogar noch weiter als die Forderungen des Staatsanwalts Sparagna zuvor, welcher 30 Jahre für Alfredo gefordert hatte.
Das Berufungsgericht von Turin sprach kein Urteil sondern wandte sich an den Verfassungsgerichtshof: die Richter fragen, ob der Zwang mildernde Umstände für Alfredo Cospito aufgrund seiner zuvorigen Verurteilungen nicht zuzulassen, legitim sei. Dies würde sie in der Tat dazu zwingen Alfredo zu lebenslanger Haft zu verurteilen, obgleich bei seiner Tat niemand starb noch zu schaden kam.
Am kommenden 19. Dezember findet eine weitere Anhörung in Turin statt, bei der es lediglich darum geht, wie die Anfrage ans Verfassungsgericht formuliert werden soll.
Während der Anhörung intervenierten Alfredo und Anna mit Erklärungen. Die solidarischen Menschen im Gerichtssaal begrüßten die angeklagten Gefährt*innen mit Parolen und Beifall und kurz darauf ziehte eine Demo durch die Straßen von Turin.
Eklärung von Alfredo Cospito bei der Anhörung im Berufungsprozess für die Neuberechnung der Strafen im Scripta Manent Verfahren. (Turin 5. Dezember 2022)
“ Ich lese nur vier Zeilen vor. Bevor ich für immer in die Abgründe des 41bis Regimes verschwinde, lasst mich ein paar Dinge sagen, dann werde ich für immer still sein. Das Gerichtswesen hat entschieden dass ich, weil zu subversiv, nie wieder die Möglichkeit haben soll die Sterne, die Freiheit wiederzusehen. Auf immer begraben mit einer lebenslänglichen Verurteilung ohne Bewährungsmöglichkeit, die – da bin ich mir sicher – ihr mir geben. werdet mit dem absurden Vorwurf ein „pollitisches Massaker“ begangen zu haben, für zwei symbolische Anschläge. Anschläge, die Mitten in der Nacht durchgeführt wurden, an völlig verlassenen Orten, die niemanden verletzen oder töten sollten und auch nicht konnten und in der Tat auch niemanden verletzt oder getötet haben. Unbefriedigt mit der lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährungsmöglichkeit und in Anbetracht dessen, dass ich auch aus dem Knast raus weiter schrieb und an anarchistischen Publikationen teilnahm, wurde entschieden, mir endgültig den Mund zu stopfen mit dem mittelalterlichen Maulkorb des 41bis, und mich auf endloses Fegefeuer, in Erwartung meines Todes, zu verurteilen. Ich werde es nicht zulassen und nicht aufgeben. Ich werde meinen Hugerstreik für die Abschaffung des 41bis und der lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne jede Bewährungsmöglichkeit fortsetzen bis zu meinem letzten Atemzug, damit die Welt von diesen beiden Abscheulichkeiten dieses Landes erfährt. Wir sind 750 in diesem Knastregime – auch dafür kämpfe ich. An meiner Seite meine anarchistischen und revolutionären Brüder und Schwestern. Die Zensur und den Deckmantel der Medien bin ich gewohnt, letztere haben als einziges Ziel jeden radikalen und revolutionären Gegner als Monster darzustellen.
Abschaffung des 41 bis.
Abschaffung der lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährungsmöglichkeit
Solidarität mit allen anarchistischen, kommunistischenn und revolutionären Gefangen der Welt.
Immer für die Anarchie.”
Erklärung von Anna Beniamino bei der Anhörung im Berufungsprozess für die Neuberechnung der Strafen im Scripta Manent Verfahren (Turin, 5.Dezember 2022)
„Dies ist ein politischer Prozess, der von Anfang an auf die Verhängung von exemplarischen Strafen abzielte, ein Prozess gegen unsere Identität als Anarchisten und nicht über die Fakten, ein Prozess gegen diejenigen, die ihren Ideen nicht abschwören.
Ein zugeschriebenes Massaker, für das es keine Beweise gibt, ist der Höhepunkt der zunehmenden Bemühungen der Terrorismusbekämpfung und der Staatsanwaltschaft, das Gespenst des Aktions-Anarchismus zu vertreiben.
In diesem Zusammenhang steht auch die Verhängung der 41-bis-Regelung gegen Alfredo Cospito, der sich der Unterhaltung von Beziehungen zur anarchistischen Bewegung aus dem Gefängnis heraus schuldig gemacht hat.
Der Hungerstreik bis zum Ende, den der Genosse seit dem 20. Oktober führt, ist das letzte Mittel gegen Isolation und Sinnesentzug, physisch und psychisch, gegen eine politische Knebelung. Ein Knebel, der ihn sogar daran hinderte, die Gründe für den Streik selbst zu verlesen.
Die 41-bis ist der extreme Grad an Verbissenheit der differenzierten Regime: Gefängnisse, in denen die fortgesetzte Isolation und die Überbelegung der gemeinschaftlichen Bereiche die beiden Gesichter eines Systems zeigen, das auf die Vernichtung des Individuums abzielt. Gefängnisse, in denen reale Massaker stattgefunden haben und stattfinden: bei der Niederschlagung der Aufstände von 2020, bei den zahlreichen Selbstmorden, bei der Behandlung der ärmsten und schwächsten Gefangenen als „Abfallprodukt“ der herrschenden techno-kapitalistischen Gesellschaft.
Sollte Alfredo Cospito etwas zustoßen, wird jeder kritisch denkende Mensch verstehen, wer die Anstifter und Vollstrecker seiner physischen Vernichtung sind, nachdem es nicht gelungen ist, die politische und ideelle Vernichtung zu erreichen.
Ich bin mir bewusst, dass ich die Geisel eines Systems bin, das seinen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zusammenbruch hinter der Fiktion der „Sicherheit“ und des „Terrorismus“ verbirgt.
Dagegen muss etwas unternommen werden. Sie können das Leben von Menschen zerstören, es wird ihnen nicht gelingen, antiautoritäres Denken und Handeln auszulöschen. Es wird ihnen nicht gelingen, die revolutionäre Spannung zu brechen, es wird ihnen nicht gelingen, die Anarchie auszulöschen.
Ich grüße Alfredo und alle Gefährten.“
Wir Gefährt*innen und Individuen, die mit Alfredo und Anna solidarisch sind, werden nicht tatenlos zusehen, wie der italienische Staat über ihr Leben entscheidet.
Wir betonen kräftig, dass die tatsächlichen Massakern vom Staat verübt werden: ein Staat, der Migranten an den Grenzen und im Meer sterben lässt, der Kriege führt und aufrüstet, der Menschen verhungern und verarmen lässt, der für die Hunderte von Toten in den Gefängnissen verantwortlich ist, der im Namen des Profits das Leben der Arbeiter*innen opfert.
Mörder ist der Staat, der mit seiner Gewalt willkürlich in den Haufen schlägt, um in der Bevölkerung Angst zu verbreiten.
Gegen den Staat und seine Formen der Folter und Unterdrückung.
Gegen 41 bis für eine Welt ohne Gefängnisse!
„Auf der Seite derer, die sich angesichts der Ungerechtigkeit nicht abwenden, derer, die sich entschließen, gegen den Staat zu handeln, derer, die nie nachgegeben haben, für die, die den Horizont der Freiheit in ihrem Herzen tragen und deshalb nicht aufhören zu brennen.“
Bis wir die Sonne der Anarchie aufgehen sehen.
ENG:
Alongside Alfredo Cospito and Anna Beniamino
– Updates on the hearings of the last few days –
On 1 December, the hearing on the appeal against the application of 41bis to the anarchist comrade Alfredo Cospito was held at the surveillance court in Rome. The judges did not decide. While our comrade continues his hunger strike started on 20 October, putting his life at serious risk, the judges are taking their time to think about whether to leave Alfredo in the torture regime 41 bis or not.
On December 5, the second appeal hearing of the Scripta Manent trial against comrades Alfredo and Anna Beniamino was held. The general prosecutor asked for 27 years and one month for Anna and life imprisonment without parole with 12 months of daytime solitary confinement for Alfredo, going even further than prosecutor Sparagna’s previous requests, which were 30 years for Alfredo.
The Turin appeals court failed to pronounce the sentence and turned to the Constitutional Court: the Turin judges are asking whether it is legitimate to be forced to disallow mitigating circumstances for Alfredo Cospito because of his previous penal background. Indeed, this would force them to sentence Alfredo to life in prison, although for an action that caused neither deaths nor injuries.
Next December 19 there will be a new hearing in Turin, a formal hearing aimed at working out the question to submit to the Constitutional Court.
During the hearing, Alfredo and Anna intervened with statements. The people in solidarity in the courtroom greeted the accused comrades with slogans and applause and shortly afterwards, a demonstration set off through the streets of Turin.
Alfredo Cospito’s declaration read out at the appeal trial for the recalculation of the sentences related to the “Scripta Manent” trial (Turin, Italy, December 5, 2022).
“ I will only say a few lines. Before disappearing into the oblivion of the 41 bis regime for good let me say a few things and then I’ll keep quiet forever. The judiciary of the Italian republic decided that I, too subversive, should no longer have the chance to see the stars, freedom. Buried for good with life imprisonment without appeal, which I have no doubt you will give me on the absurd charge of having committed a “political massacre” for two demonstrative attacks in the middle of the night, in deserted places, that were not intended to and could not have injured or killed anyone and in fact did not injure or kill anyone.
Not satisfied, as well as a life sentence without appeal, given that I continued writing and collaborating with the anarchist press from the prison, it was decided to clamp my mouth for ever with the medieval gag 41 bis, condemning me to an endless limbo awaiting death. I will not stand for it and I will not surrender, and will continue my hunger strike for the abolition of 41 bis and life sentence without appeal until my last breath to let the world know about these two repressive abominations in this country.
There are 750 of us in this regime and I am also fighting for that. By my side my anarchist and revolutionary brothers and sisters. I am accustomed to the censorship and smoke screens of the media, whose sole aim is to monstrify any radical and revolutionary opponent.
Abolition of the 41 bis regime.
Abolition of life sentence without appeal.
Solidarity to all the anarchist, communist and revolutionary prisoners in the world.
Always for anarchy. “
Anna Beniamino’s declaration read out at the appeal trial for the recalculation of the sentences related to the Scripta Manent trial (Turin, Italy, December 5, 2022).
“ This is a political trial, which has aimed from the outset at the administration of exemplary punishment, a trial of our anarchist identities rather than deeds, a trial of those who do not renounce their ideas.
A massacre without a massacre attributed without evidence is the culmination of a growing commitment of Antiterrorism and Prosecution to exorcise the spectre of anarchism of action.
The imposition of the 41 bis regime to Alfredo Cospito, guilty of engaging in relations with the anarchist movement from the prison, is in the same vein. The hunger strike to the end that the comrade has been conducting since October 20th is the last resort against isolation and sensory, physical, psychic deprivation, against a political gag. A gag that even prevented him from reading the reasons for the strike itself.
41 bis is the extreme degree of doggedness of differentiated regimes: prisons where continual solitary confinement and the overcrowding of the common sections are the two faces of a system aimed at annihilating the individual. Prisons where massacres, real ones, have occurred and continue to occur: in the suppression of the 2020 uprisings, in the incessant suicides, in the treatment of the poorest and most fragile of prisoners as ‘residual material’ of the dominant techno-capitalist society.
If anything happens to Alfredo Cospito, any individual doted with critical thought will understand who the instigators and executors of his physical annihilation are, having failed to make the political and ideal one. I am aware that I am hostage of a system that is hiding its political, economic, social and environmental collapse behind the fetish of ‘security’ and ‘terrorism’.
It is necessary to oppose this. You can destroy people’s lives, you will not succeed in extinguishing anti-authoritarian thinking and practices. You will not succeed in breaking revolutionary tension, you will not succeed in extinguishing anarchy.
My greetings to Alfredo and all the comrades.”
We comrades and individuals in solidarity with Alfredo and Anna will not sit idly by waiting for the Italian state to decide on their lives.
We strongly reiterate that a mass murderer are those who let migrants die at the borders and at sea, those who make and arm wars, those who starve and impoverish people, those who are responsible for the hundreds of deaths in prisons, those who in the name of profit sacrifice the lives of workers.
Stragista is the state that with its violence strikes in the heap to produce widespread fear in the population.
Against the State and its forms of torture and oppression.
Against 41 bis for a world without jails!
„On the side of those who in the face of injustice do not turn away, of those who decide to act against the State, of those who have never backed down, for those who have the horizon of freedom in their hearts and for this reason do not stop burning.“
Until we see the sun of anarchy rise
passiert am 06.12.2022