Fact-Sheet: Polizei-Drohnen-Überwachung aus der Luft
Die Polizei rüstet auf. Seit Mitte der 2000er haben Polizeibehörden begonnen, Luft-Drohnen anzuschaffen. Es fehlte in Deutschland und in Europa allgemein noch an Rechtsgrundlagen, dies wurde aber nun größtenteils aufgeholt – unter anderem in den vielen Polizeigesetz-Novellen der letzten Jahre. Auch der Diskurs darum hat sich stark verändert: 2008 titelte der Stern noch “Science-Fiction-Vision wird Realität”. Die Skepsis war allgemein recht groß. Mittlerweile werden Drohnen von der Polizei flächendeckend eingesetzt. Vor gut zehn Jahren wurden von deutschen Polizeibehörden die ersten Luftdrohnen angeschafft. Vorreiter waren dabei vor allem Spezialeinheiten wie GSG9 und SEK, aber auch einzelne Länderpolizeien wie in Sachsen oder Berlin. Seit Mitte der 2010er gibt es eine neue Welle an Drohnen-Anschaffungen, verstärkt auch durch die starke polizeiliche Aufrüstung vor und nach dem G20-Gipfel 2017 in Hamburg. Seitdem gibt es auch eine klare Zunahme an Drohnen-Einsätzen im klassischen politischen Kontext, wie Versammlungen. Das war bislang eher die Ausnahme. Vereinzelte Einsätze gab es aber auch schon vor vielen Jahren, wie beispielsweise 2011 bei antifaschistischen Protesten in Dresden und bei den Castor-Protesten 2010 in Niedersachsen.
Mediale Rechtfertigungskampagne
Drohnen hatten lange ein sehr negatives Bild in der Gesellschaft, vor allem durch die Berichte über extralegale Tötungen durch Militärdrohnen, gegen die es immer wieder auch Proteste gab. Darüber hinaus äußerten viele Datenschützer*innen Bedenken gegenüber Einsätzen von Drohnen durch Vor diesem Hintergrund wurde die Einführung von Polizeidrohnen von Anfang an mit einer starken PR-Kampagne begleitet. Bis heute dient die medial stark aufbereitete Nutzung von Drohnen für Rettungsdienst, Feuerwehr und Katastrophenschutz der Legitimierung einer staatlichen Nutzung von Drohnen im Allgemeinen. Einige Behörden, wie die Berliner Polizei, gehen dabei soweit, sich zu weigern, ihre Geräte als Drohnen zu bezeichnen und denken sich dafür stattdessen Kunstwörter aus. Im Rahmen der seit 2017 laufenden Kampagne gegen linke Protestformen wurde der Weg geebnet für den breiten Einsatz von Polizeidrohnen. In Hamburg wurden rund um den G20-Gipfel Drohnen medienwirksam als alternativlos inszeniert und werden seitdem, ähnlich wie militarisierte Polizeieinheiten (z.B. SEK), immer häufiger gegen linken Protest eingesetzt. In Brandenburg wurde beispielsweise die Verschärfung des Polizeigesetzes genutzt, um eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Drohnen zu schaffen Behörden.
Wer setzt Drohnen ein?
Fast alle Länderpolizeien und die Bundespolizei setzen mittlerweile Drohnen ein, meist haben sie eigene Einheiten für die Steuerung der Drohnen ausgebildet. Sachsen, Hessen, Berlin, Niedersachsen und NRW nutzen bereits seit gut zehn Jahren durchgängig Drohnen, während die restlichen Bundesländer erst in den letzten Jahren nachzogen. Baden-Württemberg und Brandenburg begannen beispielsweise erst seit 2018 mit der regulären Nutzung von Drohnen außerhalb der Spezialeinheiten. Lediglich Bremen und Thüringen scheinen bislang die Anschaffung nur zu erwägen.
Wofür werden die Polizeidrohnen eingesetzt?
Zunächst wurden Drohnen vor allem für Zwecke wie Spurensicherung oder die Suche nach versteckten Sprengladungen angeschafft, also für Einsätze bei denen keine Menschen überwacht werden. Seitdem änderte sich die Nutzung jedoch stark und der Einsatz von Drohnen zur Personensuche und gegen politischen Protest hat stark zugenommen: ob beim G20-Gipfel in Hamburg 2017, bei dem eine Vielzahl an Luftdrohnen der Polizei und privater Anbieter, sowie auch eine Wasserdrohne der Bundeswehr zum Einsatz kamen, bei Hausräumungen in Freiburg im Breisgau 2019 oder bei einem Protest gegen die AfD in Stuttgart-Feuerbach 2018. Die Liste könnte lange fortgesetzt werden.
Was da ist wird auch eingesetzt
In Baden-Württemberg, eines der Bundesländer, die erst relativ spät Drohnen außerhalb der Spezialeinheiten einsetzten, gibt es seit der Anschaffung für mehrere Polizeipräsidien in einer Testphase seit 2018 einen sprunghaften Anstieg an Drohneneinsätzen. So gab es allein im ersten Jahr der Erprobung fast 100 Einsätze der neuen Drohnen. Mit der großflächigen Nutzung von Drohnen zur Überwachung der Corona-Maßnahmen im ersten Halbjahr 2020 dürfte ein weiterer Dammbruch erreicht worden sein. Während auf Rügen das Ordnungsamt die leeren Strände mit einer Drohne der Feuerwehr überwachte, wurden in NRW Drohnen mit Lautsprechern zur Belehrung von Menschen im öffentlichen Raum genutzt. Auch die Polizei in Hessen und Bayern nutzte Drohnen zur Überwachung des öffentlichen Raumes. Es steht zu befürchten, dass es nicht bei dieser einmaligen besonderen Einsatzsituation bleibt, sondern in den kommenden Jahren immer mehr Gründe von den Behörden gefunden werden, mit Drohnen den öffentlichen Raum zu überwachen. Damit rückt der Regeleinsatz von Drohnen zur präventiven Überwachung von Versammlungen und Protesten ein weiteres Stück näher. Das wäre ein massiver Einschnitt in das Versammlungsrecht und hätte weitreichende Konsequenzen für eine emanzipatorische Protestkultur.
Zukunftsperspektive
Neben der allgemeinen Tendenz zu mehr Drohnen-Anschaffungen und Einsätzen bei den verschiedenen Polizeistellen wird die Frage der Einsatzgebiete und Ausrüstung ein weiterer Ort der Veränderung sein. Dabei kann ein Blick in Länder, in denen es bereits länger Drohnenprogramme gibt, interessant sein. In den USA werden Drohnen seit langem zur Überwachung von politischem Protest genutzt. Dabei kommen auch große Drohnen in Flugzeuggröße zum Einsatz, mit denen aus vielen Kilometern Höhe hochauflösende Bilder gemacht werden können. Auch ein Blick nach Indien zeigt beunruhigende Zukunftsperspektiven. Dort wurden in Lucknow, einer Millionenstadt im Norden des Landes, im Jahr 2015 schon Drohnen mit Pfefferspray ausgerüstet. Hersteller weltweit geben an, die Bewaffnung ihrer Drohnen mit den umstrittenen sogenannten nicht-tödlichen Waffen zu erforschen.
Militarisierung und Automatisierung Die Tendenz in Europa geht in Richtung größere, sowie vernetzt autonom agierende Drohnen für Polizei und Geheimdienste. Dabei spielt die EU-Grenzschutz-agentur FRONTEX eine Vorreiter*innenrolle.Im Projekt Roborder wird versucht mit Hilfe von Drohnenschwärmen, der Kombination aus Drohnen zu Land, Luft und Wasser, sowie mobilen Kontrollzentren Grenzkontrollen massiv auszuweiten. Außerdem soll Grenzüberwachung zunehmend automatisiert werden, indem auf Künstlicher Intelligenz basierende Systeme zur automatisierten Objekterkennung und Entscheidungsfindung entwickelt werden. Mit solchen Systemen sollen zukünftig die EU-Grenzen überwacht werden. Zudem werden auch heute schon eigentlich für das Militär entwickelte große Drohnen, wie die Predator-Drohne, von der Polizei zur Erstellung von Lagebildern bei Großereignissen genutzt. Damit stellen Polizeidrohnen einen nicht unerheblichen Schritt zur Militarisierung und Automatisierung der polizeilichen Arbeit dar. Es hat sich gezeigt, was einmal entwickelt ist, wird auch eingesetzt!
Quellen und mehr zum Thema
Sam Rivera: Studie Polizeidrohnen, Informationsstel-le Militarisierung e.V., 2020 Monroy, Matthias: Drohnen für Frontex, digit.so36.net, 2020 Hayes, Ben et al: Eurodrones Inc., statewatch 2014ABC Südwest: Nur der Mond schaut zu? 2019
PDF mit mehr Infos:
http://www.imi-online.de/2020/11/11/polizei-drohnen-ueberwachung-aus-der-luft/
passiert am 11.11.2020