Denkmäler gegen patriarchale Gewalt

Am Morgen des 25.11., dem internationelen Tag “Gegen die Gewalt gegen Frauen”, positionierten sich in ganz Berlin Statuen und Denkmäler zu Feminiziden und den patriarchalen Gewalt-Verhältnissen der Gesellschaft in der wir leben. Aktivist*innen fordern feministische und antirassistische Interventionen.

Eine Gruppe Statuen vor dem Berliner Dom prangert die Situation von Feminiziden, also Tötungsdelikte an Frauen als Folge von Geschlechterdiskriminierung (in Deutschland) an.^1
Während Deutschland sich gerne als Retterin der Frauen und Kinder im Ausland inszeniert ist die Situation innerhalb von Deutschland katastrophal.
In Deutschland versucht jeden Tag ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu ermorden. An jedem dritten Tag stirbt eine Frau.
Es mangelt nicht nur an Einrichtungen, die insbesondere FLINT* vor häuslicher Gewalt schützen, sondern auch insgesamt scheint in Deutschland kein Bedarf gesehen zu werden gegen antifeministische, transfeindliche und frauenfeindliche Gewalt vorzugehen. Wir brauchen Frauen- und FLINT*-Häuser, Schutzkonzepte, die auf die Polizei als weitere Gewalt- und Unterdrückungsakteurin verzichten und weitgehendes gesellschaftliches Umdenken.
Doch die deutsche Gesellschaft ist an feministischen Themen und Forderungen nur dann interessiert, wenn sie sich rassistisch vermarkten lassen. Das sehen wir in der Berichterstattung zu Feminiziden, aber auch in alltäglichen Diskursen um Sexismus und patriarchale Gewalt. In Deutschland schafft es eine jahrelange Forderung erst dann in Gesetze umgesetzt zu werden, wenn sich damit rassistisch hausieren lässt. (Siehe Sexualstrafrechtsreform 2016)

Unser Feminismus muss immer auch antirassistisch sein. Wir wollen uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und nicht unsere Forderungen als Feminist*innen nur durch unser Zurückstecken als Antirassist*innen erkämpfen können. Antirassismus und Antikolonialismus müssen fester Bestandteil unserer Forderungen und Kämpfe sein!

Das dachten sich wohl auch die beiden Preußenstatuen in Nähe des U-Bahnhofs M*Straße^2, die in der letzten Nacht einen besonders selbstkritischen Wandel durchgemacht haben. Der U-Bahnhof und die M*Straße selbst sind aufgrund ihres rassistischen Namens seit Langem Standort antikolonialer Kämpfe und Proteste und ein Symbol für die Vehemenz, mit der die weiß-deutsche Mehrheitsgesellschaft rassistische Traditionen verteidigt und legitimiert.
Da ist es auch kaum verwunderlich, dass der Bahnhof von preußische Militärprominenzen in Bronze und Marmor gesäumt ist. Dazu zählen Hans Joachim von Zieten, ein berühmter Kavalleriegeneral, und Kurt Christoph von Schwerin, ein Generalfeldmarschall unter Friedrich dem Großen.
Wider Erwarten äußern beide Statuen von preußischen Generälen seit heute morgen den Satz “Ich gehöre schon längst eingeschmolzen statt mir sollte hier Anna Mungunda”^3 und “Audre Lorde^4 stehen.”. Um die Statuen herum sind Schilder angebracht, die das Geschehen mit dem Satz „Feministischer Befreiungskampf statt patriarchale Kriege“ kontextualisieren. Denn der preußische Militärkult steht symptomatisch für den Beginn deutscher Kolonialisierungsbestrebungen und deutschen Militarismus, ob Kriegshandlungen der Bundeswehr oder die boomende Rüstungsindustrie. Die BRD steht in der Verantwortung für zahlreiche Kriege – Jemen, Rojava, Irak um nur ein paar zu nennen – in denen sexualisierte Gewalt, von der vor allem FLINT* betroffen sind, ein grundlegender Bestandteil ist.
Unser Feminismus richtet sich auch gegen Militarismus, der patriarchale und koloniale Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse aufrecht erhält und zuspitzt.

Einige Straßen weiter haben sich Marx und Engels erneut zu feministischen Kämpfen positioniert. ^5 Die Bedeutung der Schriften von Marx und Engels für die Analyse des Kapitalismus und politischen Ökonomie steht außer Frage. Dennoch bedurfte es feministischer Analysen und Ergänzungen – denn Reproduktionsarbeit war Marx und Engels scheinbar relativ egal.
Will man den Kapitalismus in all seiner Gänze verstehen, kommt man nicht drum herum, unbezahlte, meist von Frauen durchgeführte, Reproduktionsarbeit als wesentlichen Bestandteil auszumachen. Der Kapitalismus ist auf den unbezahlten Reproduktionssektor angewiesen. Darauf machten Feminist*innen wie Federici aufmerksam. Ausbeutung und Unterdrückung lediglich im Bereich der Lohnarbeit zu verorten klammert zudem die Doppelbelastung, die Frauen durch Kapitalismus und Patriarchat erleben, aus.
An diesem Morgen haben es dann auch endlich Marx und Engels begriffen!
Auch wir sehen als Feminist*innen unseren Kampf gegen das Patriarchat als antikapitalistischen. Doch wir sehen andere Macht- und Ausbeutungsverhältnisse nicht als reine Nebenwidersprüche, die sich mit dem Kampf gegen den Kapitalismus in Luft auflösen.
Wir erwarten von unseren cis-männlichen Mitstreitenden ein Reflektieren ihrer eigenen Position und ein Mitdenken der Positionen anderer in unserem gemeinsamen Kämpfen.

Zudem erwarten wir eine Reflexion von uns allen über Konsens, Victim-Blaming und einen Umgang mit übergriffigem Verhalten. Darauf macht seit heute morgen auch eine weiblich gelesene Statue im Monbijoupark aufmerksam. Mit der Aussage “Still not asking for it!” wird hervorgehoben, dass egal wie eine Person sich kleidet (oder nicht kleidet) und/oder in was für einem Zustand sie sich befindet, dies nie der Grund für einen (sexuellen) Übergriff ist. Oft werden besonders Flint* Personen durch ihr Erscheinungsbild oder Auftreten dafür verantwortlich gemacht, dass sie übergriffig behandelt werden. Darauf haben wir keinen Bock mehr! Niemensch ist dafür verantwortlich, dass andere sich einer*m übergriffig gegenüber verhalten! Wer sich übergriffig verhält muss dafür Verantwortung übernehmen und auch in einem kollektiven Umgang zur Verantwortung gezogen werden.

Es bleibt dabei “Yes means yes and no means no!”
Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen patriarchaler Gewalt! Wir kämpfen mit euch!
Lasst uns dem Patriarchat ein Ende setzen – in der eigenen bubble und überall!

^1 https://keinemehr.wordpress.com/statistiken-2/
^2 http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/12338
^3 Anna Mungunda war eine im namibischen Widerstandskampf aktive Herero-Frau, die sich gegen die erstmals durch Deutschland erzwungene, später durch andere europäische Akteure weiterführte, Kolonialisierung Namibias wehrte. Mungunda wurde am 9. Dezember 1959 während einer Demonstration gegen die Zwangsumsiedlung der namibischen Bevölkerung in der Nähe der heutigen Hauptstadt Windhoek von der Polizei erschossen. Ihr Aktivismus wird als Beginn des aktiven Widerstands vieler Frauen im antikolonialistischen Befreiungskampf verzeichnet. Heute ist Mungundas Todestag der namibische Frauentag und ihre Person ein Symbol für antikolonialen Feminismus.
^4 Audre Lorde war eine US-amerikanische Aktivistin und Schriftstellerin, die sich mit den Worten „black lesbian feminist mother poet warrior“ beschrieb und positionierte. Gegen Ende der 90er Jahre verbrachte Lorde viel Zeit in Berlin und leistete einen enormen Beitrag zum Aufbau einer antirassistischen Bewegung. Sie hatte einen großen Einfluss auf schwarze und weiße feministische Organisierungen und brachte Diskurse über die antirassistische und feministische Diskurse näher aneinander.
^5 http://memorialsunderdeconstruction.blogsport.eu/2018/08/02/b-marx-und-engels-engagieren-sich-neuerdings-fuer-feminismus/

fem.cleaned.JPG