Prozessbericht 3. Prozesstag „Wir haben eine Verabredung“
Der Raum wurde erneut kurzfristig von 105 zu 101 gewechselt und die Zuschauer*innenzahl war auf 20 Personen begrenzt. Das Publikum bestand neben anfangs vier Schüler*innen auf Exkursion und einer augenscheinlich dienstlich anwesenden Prozessbeobachterin, die sich nach der ersten Pause nicht mehr blicken liess, aus solidarischen Personen.
Ebenfalls anwesend waren diesmal zivile Bullen der als „PMS“ bekannten LKA6-Einheit um sich die Besucher*innen zu notieren bzw. diese zu fotografieren. Sie hatten sich dafür gegenüber des Haupteingangs Turmstraße (der Nebeneingang ist wegen Bauarbeiten gesperrt) mit einem blauen Kombi (B-FE9619, VW Passat GTI) aufgestellt. Zu Beginn des Prozesses betraten sie auch kurz das Gerichtsgebäude.
1. Zeuge PHM Mester, 47, Kamerabediener aus dem Helikopter (Fliegerstaffel Blumberg)
Der Zeuge begann damit zu beschreiben, dass während eines Präventionsflugs die Wärmebildkamera in Adlershof 2 Personen „festgestellt“ hätte, woraufhin der Heli auf 5-6km Entfernung ausgewichen und die Bundespolizei im Ostbahnhof alarmiert worden sei. Diese prüfe dann zunächst, ob es sich um „betriebsfremde“ Personen handelt, die da nicht hin gehören. Zu den „Wärmequellen“ sagte er das beide sich am Tunneleingang von Süden kommend auf der linken Seite neben dem Fernbahngleis befunden hätten. Er beschrieb wie beide „Wärmequellen“ sich abwechselnd im Tunneleingang befanden, dass keine Statur oder Geschlecht erkennbar sei aus der Entfernung, jedoch Bewegungen, die er als „Abhocken“ und „Verstecken“ bezeichnete. Es sei eine größtenteils statische Situation gewesen, mit größerem Abstand des Helis habe die Bewegung aus und in den Tunneleingang zugenommen, er konnte aber nicht erkennen was dort gemacht worden sei. Obwohl der Heli „sehr weit weg“ in beobachtender Position war, wäre es theoretisch möglich ein Feuer und Feuerzeug zu erkennen. Auf Nachfrage gab er an, dass „mehrere km Abstand“ eine vernünftige Entfernung seien um mit dem Helikopter „nicht aufzufallen“. Der Zeuge erzählte weiter wie er drei Streifen, davon eine Zivil-Streife, zum Einsatzort leitete und dass das Eintreffen möglichst gleichzeitig erfolgen sollte.
2. Zeugin Kriminalkommissarin Horn, 27, Ermittlungsführerin LKA524
Nach einer Pause bis zum Erscheinen der zweiten Zeugin wurde durch die Verteigigung die Anwesenheit der zivilen Polizeibeamten vor dem Gericht moniert, dies könne potentielle Besucher*innen einschüchtern und wäre somit geeignet, die Öffentlichkeit der Verhandlung einzuschränken. Der Richter erwiederte knapp, darauf, was ausserhalb des Gerichts passiere, habe er keinen Einfluss.
Trotz ihres vielversprechenden Titels „Ermittlungsführerin“ wusste die Zeugin Horn recht wenig von eigenen Ermittlungen zu berichten und beschrieb ihre Tätigkeit stattdessen als Abfolge von ein- und ausgehenden Formularen, die sie auszufüllen habe. Über eine Vielzahl an Vorgängen konnte oder wollte sie zudem keine Auskunft geben, da sie die Ermittlungsleitung ja erst übernommen habe, nachdem KHK Warmuth die Dienststelle verlassen habe.
Der Großteil der Befragung drehte sich dann letztendlich um die Frage, wie es um die Aktenführung durch KK’in Horn bestellt ist. Bereits im Vorfeld der Verhandlung wurden seitens der Verteidigung Anträge gestellt, die die vermutete Unvollständigkeit der Ermittlungsakte hinsichtlich der Observationsmaßnahmen zum Gegenstand hatten und insbesondere Einsicht in die angefertigten Observationsvideos von zwei Hauseingängen forderten. Die Zeugin berichtete nun, dass ebenjene Videos leider durch ein „Büroversehen“ gelöscht worden seien. Auf Nachfrage, wie es denn zu so einem Büroversehen kommen könne, gab sie an, dass dies wohl vom LKA6 (Operative Dienste) veranlasst wurde. Gründe wisse sie nicht, allerdings habe sie zum Zwecke der Ermittlungen lediglich Zugriff auf einen vom LKA6 eingerichteten Bereich des Servers, wo sie die Videos dann bis zur Löschung einsehen konnte. Sie konnte dann allerdings doch noch Screenshots der Videoaufnahmen, die sie vor der Löschung gemacht haben will, zur Akte nachreichen. Ebenfalls nachreichen konnte sie eine Liste von Namen, die LKA64 auf Fotos indentifiziert haben will, die von solidarischen Menschen vor der GeSa angefertigt wurden.
Der Richter unterbrach hier weitere Nachfragen, wie es denn dazu komme, dass offensichtlich existierende Ermittlungsakten nicht in der Version enthalten sind, die der Verteidigung vorliegt und machte deutlich, ihn interessiere „nur für die Klärung der Täterschaft Relevantes“ und bitte darum ihm doch einen der Nachgereichten Namen zu nennen der eine Relevanz für das Verfahren habe, nun wo man sie ja hätte. Die Staatsanwaltschaft schloss sich ihm an und bemerkte, dass die Observationen ja offenbar nicht zur Namhaftmachung einer dritten Person als Beschuldigte*m geführt hat und die Observationsdetails damit hier irrelevant wären. Bestehende Zweifel der Verteidigung, ob denn angesichts dieser Vorkommnisse tatsächlich gewährleistet sei, dass alles für die Verteidigung Relevante in der Prozessakte stehe, wollte sich Richter Kleingünther erwartungsgemäß nicht zu Eigen machen.
Zuvor hatte der Richter bereits eine Frage der Verteidigung an die Ermittlungsführende Beamtin, warum Finanzermittlungen vorgenommen wurden und für einen Beschuldigten auch eine Datenabfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung stattgefunden habe, abgewürgt und sie auch nach Rücksprache nicht zugelassen.
3. Zeugin KHK’in Puschmann, 56 Jahre, Kriminaldauerdienst Dir 5
Die Zeugin war in der Nacht der Festnahme für die kriminalpolizeiliche Übernahme des Tatorts, also die spurensichernden Maßnahmen zuständig. Die Befragung befasste sich dementsprechend damit, wie ihr die beschlagnahmten Gegenstände, insbesondere der aufgefundene Rucksack inklusive Kanister, übergeben wurden und wie sie diese gesichert habe. Was von ihr damals recht knapp als „nicht spurenschonend behandelt“ protokolliert wurde, führte sie nun auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft weiter aus: Die Bundespolizei habe beim Umgang mit den beschlagnahmten Gegenständen keine Handschuhe getragen, auch nicht beim Ein- und Auspacken des Kanisters. Und ganz allgemein würden sonst von den Einsatzkräften, wenn überhaupt, Lederhandschuhe getragen „aber damit fassen sie ja recht viel an“.
Ferner erklärte Sie auf Nachfrage, dass sie beim Absuchen eines Teils des Tunnels nichts weiteres außer einer Wasserflasche mitgenommen bzw dokumentiert habe, da ihrer Einschätzung nach, andere Gegenstände vor Ort eine Staubschicht aufgewiesen hätten.
Der Ort der Festnahme/der Tunnel sei, ohne einen Zaun zu überwinden, vom Gehweg über einen Trampelpfad durchs Gebüsch erreichbar gewesen. Auf Nachfrage wollte sie nicht ausschließen dass sich dort manchmal auch Obdachlose aufhalten und Kleidungsstücke herumgelegen hätten.
Abdeckungen an Kabelschächten hätten nicht gefehlt.
Als Nächster Prozesstag ist Montag, der 1. Juli angesetzt, Raum 135, 9:15 Uhr. Raumänderungen können in der Eingangshalle an den Aushängen nachvollzogen werden oder vor Ort erfragt werden.