Crypto-Wars: EU-Staaten wollen Zugang zu verschlüsselten Nachrichten
Die EU-Innenminister:innen haben in einer Resolution den Zugriff auf verschlüsselte Nachrichteninhalte etwa bei Messengerdiensten wie WhatsApp und Signal gefordert. Es müsse für Behörden die Möglichkeit für einen „rechtmäßigen Zugang zu Daten für legitime und klar definierte Zwecke im Rahmen der Bekämpfung schwerer und/oder organisierter Kriminalität und Terrorismus“ geben, heißt es in einer heute verabschiedeten Ratsresolution.
Die langjährige Debatte um möglichen Zugriff auf verschlüsselte Inhalte hatte durch geleakte Entwürfe der Resolution in den vergangenen Wochen neue Fahrt aufgenommen. Der Ruf nach „rechtmäßigem Zugang“, so fürchten Netzaktivist:innen, bedeutet, dass Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste zum Einbau von Hintertüren in ihre Verschlüsselung verpflichtet werden könnten. Die EU-Kommission hat erst vergangene Woche eine neue Initiative zur Verschlüsselung angekündigt und dabei eine Schwächung der Verschlüsselung durch Hintertüren nicht ausgeschlossen.
Hintertüren für Massenüberwachung
Ein breites Bündnis aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft befürchtet, dass mögliche Hintertüren in Verschlüsselungssoftware für Massenüberwachung und Menschenrechtsverletzungen in autoritären Staaten genutzt werden könnten. Vor wenigen Tagen hatte eine Gruppe von Wissenschaftler:innen die EU-Staaten und die Kommission in einem offenen Brief daran erinnert, dass starke Verschlüsselung ein wichtiges Mittel zum Schutz der freien Meinungsäußerung ist und zur IT-Sicherheit beiträgt.
Die von der deutschen Ratspräsidentschaft vorgeschlagene Resolution bedeutet noch keinen konkreten Schritt hin zu Hintertüren oder einer anderweitigen Schwächung der Verschlüsselung. Allerdings schließt sie diesen Schritt, der immer wieder in Überlegungen der EU-Institutionen genannt wurde, auch nicht konkret aus. Im Text heißt es: „Die zuständigen Behörden müssen unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und der einschlägigen Datenschutzgesetze rechtmäßig und gezielt auf Daten zugreifen können und gleichzeitig die Cybersicherheit wahren.“
Die EU-Staaten wollen für eine mögliche „technische Lösung“ mit Anbietern wie WhatsApp zusammenarbeiten. In begleitenden Dokumenten, aus denen die Süddeutsche Zeitung zitierte, war auch von Zusammenarbeit mit den Staaten der so genannten „Five-Eyes“-Allianz von Geheimdiensten die Rede, die sich gemeinsam mit weiteren Verbündeten für Hintertüren in Verschlüsselung aussprechen.
Mit Spannung wird nun erwartet, welche konkreten Vorschläge die Kommission beim Thema Verschlüsselung vorlegen wird. Die zuständige Innenkommissarin Ylva Johansson gilt als Hardlinerin, die auf Behördenzugriff für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus drängt. Von der Haltung der Kommission wird abhängen, wie es um die Zukunft verschlüsselter Kommunikation steht.
https://netzpolitik.org/2020/crypto-wars-eu-staaten-wollen-zugang-zu-verschluesselten-nachrichten/
passiert am 14.12.2020