Wer hat dem wird genommen!

Aufruf und Diskussionsbeitrag zum anarchistischen Block auf der WerHatDerGibt-Demo
21. August – 14 Uhr – Urbanhafen (vor dem Urban-Krankenhaus)

Die Pandemie hat die globale Ungerechtigkeit weiter verschärft. Nach der Bundestagswahl, wird die Regierung – egal wer es wird – die Kosten der Krise im Sozialen einsparen wollen. Wir wollen das nicht hinnehmen und schließen uns deshalb wie im letzten Jahr der WerHatDerGibt-Demo mit einem anarchistischen Block an. Warum das nicht Szene-Block und/oder inhaltliche Beliebigkeit bedeuten sollte, was wir uns davon versprechen uns reformistischen Bewegungen anzuschließen und wie eine andere anarchistische Demokultur aussehen kann, das wollen wir mit diesem Aufruf zur Diskussion stellen.

Warum wir dieses Jahr wieder zu einem anarchistischen Block aufrufen?

Der Anarchismus als Idee

Der Anarchismus wird leider viel zu oft mit Chaos, anti-alles oder Gewalt gleich gesetzt. Dabei wisst ihr wie wir, dass es im Gegenteil aufbauende Ideale sind, die den Anarchismus ausmachen. Die Erfahrung gegenseitiger Hilfe, Selbstverwaltung, gleicher Zugang zu Ressourcen für uns alle, die wir aber alle unterschiedlich sind und die Herstellung einer Ordnung ohne Herrschaft. Der Anarchismus lebt als Vorstellung einer besseren Welt in unseren Herzen. Diese Vorstellung müssen wir auf die Straße tragen!

Der Anarchismus ist gesellschaftlich

Diese Ideen und Hoffnungen sind nicht zu einem Nischendasein verurteilt, zu menschlich sind doch die gegenseitige Hilfe und der Drang nach Selbstbestimmung. Die anarchistische Ideale sind gesellschaftlich: Sorgen wir dafür, dass es die anarchistische Idee auch wird! Um dahin zu kommen, glauben wir, müssen wir uns in gesellschaftliche Kämpfe einbringen.

Wer zahlt die Kosten der Krise?

Der Kampf um die gerechte Verteilung der Kosten der Krise ist so ein gesellschaftliches Kampffeld. Wer zahlt die Kosten der Krise? Warum ist das Vermögen so ungleich verteilt, weltweit und vor der Haustür? Warum ist unsere Arbeit weniger Geld wert als die Arbeit von Verwalter*innen und CEOs? Das sind Fragen, die nach der Bundestagswahl im September auf jeden Fall an Relevanz gewinnen werden. Auch jetzt schon ist sichtbar, dass dieses Thema viele rum treibt. Das wird mehr als klar, wenn wir Leute auf der Straße zum Thema ansprechen. „Umverteilung na klar!“ ist da oft die Position. Die Frage ist nur wie? Oder schaffen es die über 350.000 Unterschriften von der Kampagne DW-Enteignen?

Umverteilungskämpfe: Wer Hat, Der Gibt

Aus diesem Grund halten wir eine Beteiligung am WerHatDerGibt-Bündnis für sinnvoll. WHDG kämpft kurzfristig für eine Vermögenssteuer, eine Einmalabgabe von Vermögen sowie mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur und eine Anhebung des Mindestlohns. Längerfristig geht es um eine Vergesellschaftung von Infrastruktur und eine demokratische Kontrolle der Betriebe (werhatdergibt.org). WHDG arbeitet also zunächst mit konkret vorstellbaren Schritten zu einer gerechteren Verteilung von Reichtum in der Gesellschaft. Dadurch glauben wir, sind die Forderungen von Wer Hat Der Gibt mehrheitsfähig. Wie soll es sonst auch sein, wenn 50 Prozent der Bevölkerung nur 1,4 Prozent des Vermögens besitzt?

Unsere Beteiligung an Umverteilungskämpfe

Können wir, als Anarchist*innen uns aber an Kämpfe beteiligen, die teilweise reformistisch sind? Ja, sich teilweise sogar mit dem Programm der Linkspartei decken? Wir glauben: Ja, wir sollten! Statt neben diesen Kämpfen zu stehen und zu bemängeln, dass sie nicht radikal genug sind (wie aktuell bei DW-Enteignen oft der Fall ist), sollten wir uns einbringen und sie mitgestalten. Welche*r Anarchist*in hätte etwas dagegen, dass eine Vermögenssteuer erhoben wird oder der Mindestlohn angehoben wird? Das ist nicht das Problem. Vielmehr sollten wir in unserer Beteiligung immer klar machen, dass wir nicht bei Reformen und Appellen an den Staat stehen bleiben können.

Es gehört zu unserer Aufgabe, dahin zu gehen, wo die Leute auf die Straße gehen, von ihnen zu lernen und sie mit zu nehmen. Das große Ganze im Blick zu haben und auch mal das Unvorstellbare zu fordern, weil das ja die Hoffnung so vieler Menschen anspricht, dass sich endich mal wirklich was ändert! Das lässt sich auf all jene Proteste übertragen, die sich vor dieser vor Unbedeutsamkeit schicksalhaften Bundestagswahl aufbauen: Unteilbar, Fridays for Future, die Krankenhausbewegung, Bündnis Öffentlich statt Privat, Mietenwahnsinn usw. Organisiert und beteiligt euch, und kommt mit uns in den anarchistischen Block auf der WerHatDerGibt-Demo!

Unser Vorschlag zur Demokultur

Ein anarchistischer oder ein autonome-Szene Block?

Jene, die letztes Jahr bei der WerHatDerGibt-Demo waren, haben es gemerkt: es gab einen riesigen Szene-Block. Hat sich eigentlich so angefühlt wie bei der letzten Interkiezionale oder der vorletzten antifaschistische Demo. Um ehrlich zu sein, wie so ziemlich wie bei allen linksradikalen Demos. Die gleichen Sprüchen, die gleichen schönen Bengalos und der gleiche Kleidungsstil. Das war also der anarchistische Block. Hat sich gut angefühlt, aber, wir haben uns gefragt, ob dort auch unsere anarchistischen Werte vermittelt werden konnten?

Für wen machen wir die Demo?

Wir würden behaupten: Für Außenstehende vermittelt ein solcher szeniger Block genau das abgedroschene Bild, das die Medien zu ‘linksradikal’ aufbauen (und oft genau mit ihrem abwertenden Zerrbild der Anarchie gleichsetzen). Das ist problematisch, wollen wir doch Leute überzeugen, dass die Anarchie eine gute Idee ist! Gerade wenn wir uns an gesellschaftlichen Protesten beteiligen, sind wir ja da um zu zeigen, dass wir Anarchist*innen dasselbe wollen wie sie (und mehr!). Wir sind da um zu zeigen, dass wir Verbündete sind. Unsere Beteiligung an der Demo richtet sich also auch an die andere Beteiligten und die Passant*innen. An sie soll sie sich richten und nicht an uns selbst… denn wir wissen hoffentlich, warum die Anarchie eine gute Idee ist!

Nix gegen black blocks!

Das gilt natürlich nicht immer. Es gibt Demos, die verleihen uns selbst Kraft, schüchtern die Bullen und Politiker*innen ein, zeigen, wie viele und wie wütend wir sind und wie viel wir kaputt hauen können, wenn wir das wollen. Wir wollen daher ganz klar sagen: Wir haben nichts gegen black block als Taktik, ganz im Gegenteil. Der Vorteil an dieser Taktik ist ja auch, dass die schwarze Regenjacke perfekt unter den Alltagspulli runter passt und im entscheidenden Moment zum Vorschein kommen kann! Deshalb: Packt sie gerne auch auf Großdemos ein.

Also wie sieht ein anarchistischer Block aus?

Wir wünschen uns einen Block, der anarchistische Inhalte vermittelt: Sprüche, Schilder, Transpis, Flyer. Warum ist die Anarchie eine gute Idee, wenn mensch Umverteilung will? Wenn mensch das Klima retten oder eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung will? Was wollen wir konkret und jetzt? Und warum bestehen wir dennoch auf die Utopie? Wie wollen wir unsere Ziele (z.B. Umverteilung) erreichen? Warum beteiligen wir uns als Anarchist*innen an diese Demos? Was sind eigentlich die Grundgedanken von uns Anarchist*innen? Welche anarchistische Gruppen gibt es, die mensch vielleicht schon kennt? – Das sind alles Fragen, die für unsere Verbündeten interessant sind. Tragen wir sie auf die Straße!

Und, weil wir viele Menschen erreichen wollen, wollen wir für viele zugänglich sein, egal welches Alter oder Demoerfahrung. Klar, klingt etwas abgedroschen, aber bleibt wichtig. Dass das eine ‘dynamische’ Entwicklung der Demo nicht ausschließen muss, hat die letzte revolutionäre 1. Mai-Demo gezeigt. Vorausgesetzt, man passt trotzdem aufeinander auf.

Eine Bemerkung zum Stil…

Wenn wir Anarchie sagen blühen uns Farben, so bunt können wir gar nicht denken. Wenn wir anarchistischen Stil sagen, kommen wir nicht viel weiter als eine schwarz-rote Fahne und viel Text… Was wir sagen wollen: Ein anarchistischer Block muss nicht unbedingt bedeuten, diesen Stil – der ja schon etwas in die Jahre gekommen ist – reproduzieren. Anarchistisch kann wie Alltag aussehen oder auch etwas verrückt, traditionell oder futuristisch. Wir machen einen anarchistischen Block wegen dem Inhalt, nicht wegen dem Stil. Was wir noch sagen wollten: Macht doch was ihr wollt!

Diskussion!

Wir veröffentlichen diesen Text einen Monat vor der Demo, weil wir eure Ideen, Kritik und Meinungen hören wollen. Wir maßen uns an, Demokultur zu kritisieren, maßen uns an, unsere Meinung zum Anarchismus zu unterbreiten. Wir hoffen, dass das auf eine wie auch immer geartete Resonanz stößt!

Schreibt gerne einen Text als Antwort oder ein Kommentar auf Indymedia oder kontaktiert uns auf atopic[at]systemli.org

Juli 2021, atopic

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passiert am 21. August 2021