Am Anfang war das Wort! Kommentar zum Antifa-Ost-Verfahren aus Sicht eines Beobachtenden…
Es gibt das tief verwurzelte Verlangen wohl eines jeden Menschen nach Befreiung.
Befreiung von dem, was uns einengt, uns hindert, uns selbst, zumal in sozialen Zusammenhängen, zu verwirklichen.
Antifaschismus definiert sich, schon begrifflich, durch die Befreiung vom und den Kampf gegen den Faschismus, einer immer währenden Aufgabe, ja Verpflichtung.
Darüber hinaus meint Antifaschismus aber mehr. Es ist eine innere Haltung zu Mitmenschen, zur Welt, getragen von einem Freiheitsverständnis, welches nicht nur die „Freiheit von Faschismus“ meint, die sogenannte „negative Freiheit“ im Sinne von „Freiheit von etwas“, sondern zugleich eine Idee „positiver Freiheit“ mit sich führt, nämlich die „Freiheit zu etwas“.
Das Antifa-Ost-Verfahren wirft nun ein grelles Licht auf staatliche Strukturen wie auf rechtsextreme Kreise, welche gleichermaßen davon beseelt zu sein scheinen, andere Menschen einzuengen und am Gebrauch der Freiheit zu hindern.
Geprägt von restaurativen, antiemanzipatorischen, xenophobischen Grundhaltungen, welche mit einem positiven Begriff von Freiheit wenig bis nichts anzufangen wissen.
Mangels Zugang zum Internet (hier in Haft) kann ich den vor dem OLG Dresden laufenden, unter „Antifa-Ost-Verfahren“ firmierenden Strafprozess nur sehr, sehr indirekt verfolgen, insbesondere die diverse Berichterstattung.
Ich möchte mich zudem beschränken auf die in der Berichterstattung, zumindest so wie sie mir bislang vorliegt, dokumentierte scheinbare Schweigsamkeit, insbesondere zu den Auftritten des sogenannten Kronzeugen.
Das Recht zu schweigen ist im Strafprozess essentiell, zumal nach geltender Rechtslage eine auch nur teilweise Einlassung Gerichte dazu berechtigt, hieraus ggf. ungünstige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Würden Angeklagte durchgängig schweigen, so zumindest die Theorie, dürfte dieses Schweigen nicht nachteilig berücksichtigt werden.
Die wohl recht umfassenden Aussagen des sogenannten Kronzeugen sind in der Welt.
Linke Aktivist:innen haben sich dazu verhalten, die Aussagen kritisiert (nicht nur diese, sondern auch das Verhalten des Kronzeugen).
Dass es eine politische Einordnung von Seiten der Angeklagten gegeben hätte, dies wurde zumindest medial nicht vermittelt.
Dafür wird es prozesstaktische Gründe geben, nur ist zu fragen, ob damit nicht nur letztlich dem Kronzeugen das Feld überlassen wird?
Er (erneut) in eine dominante Position gelangt, in der er zudem die Rezeption der Geschichte maßgeblich mitbestimmen kann.
Zu fragen wäre auch, welches Signal hiervon an künftig von Strafprozessen betroffene Menschen ausgeht.
Ob sie sich ermutigt fühlen, sich offensiv zu verhalten oder es eher über sich ergehen lassen sollen, wenn jemand wie im vorliegenden Fall über Stunden und Tage hinweg seine Sicht verbreiten darf.
Was bleibt am Ende von den Aussagen des Kronzeugen haften, nicht primär in der (linken) Szene, die dürfte vielfach gut informiert sein, sondern auch beim ( bürgerlichen) Publikum, und wenn wir an die Zukunft denken:
bei Menschen, die künftig, vielleicht in 10, 15, 20 und mehr Jahren auf das Verfahren vor dem OLG Dresden mit zeitlichem Abstand zurück schauen.
Wäre es angemessen, wenn die Wahrnehmung durch die Aussagen eines Kronzeugen wesentlich dominiert würden?
Im Anfang ist das Wort – und das erfordert mitunter auch Widerworte!
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV),
Hermann-Herder-Str. 8, 79104 Freiburg
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