Neue Plattform in Berlin : „Iniradar“ für gegenseitige Hilfe

Berliner Initiativen haben sich auf einer Onlineplattform vernetzt. Sie wollen so leichter Menschen außerhalb von politischen Kreisen erreichen.

BERLIN taz | Die Erwerbsloseninitiative Basta, das Torhaus Koch Kollektiv oder die NaturFreunde Berlin verbindet auf den ersten Blick wenig. Doch auf der Homepage von Iniradar sind diese Initiativen neben vielen anderen aufgeführt – sie ging kürzlich online mit den Anspruch, Berliner Initiativen der gegenseitigen Hilfe zu vernetzen. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff. Initiativen, die kostenlos Essen verteilen, sind ebenso vertreten, wie Repair-Cafes, Selbsthilfegruppen oder Sozialberatungen.

Die übersichtlich gestaltete Website soll vor allem Tipps und Information für Menschen vermitteln, die gewöhnlich nicht in politischen oder subkulturellen Kreisen verkehren. „Sie fühlen sich angesichts von einer großen Menge von Initiativen und Anlaufstellen mit ihren vielen Angeboten oft verloren“, sagt Manuel, einer der Verantwortlichen von Iniradar, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Plattform will die Fragen beantworten, die viele Menschen in Not bewegt: Wer kann mir helfen? Ist das Angebot für mich geeignet? Ist es kostenlos?
Auf der Plattform kann beispielsweise unter dem Stichwort „Angebote“ der Button „Lebensmittel und Essen“ angeklickt werden. Dort findet man Adressen wie die vom Torhaus Koch Kollektiv aus der Tempelhofer Vorstadt, dem Bürgertreff Gemeinsam im Kiez Leben aus Alt-Hohenschönhausen oder dem Café Wostock in Neu-Lichtenberg – mit Infos über Öffnungszeiten und Barrierefreiheit.

Weitere Buttons sollen zu Hilfe bei Behörden und Ämtern oder zu ambulanten Diensten führen. Dafür wird die Plattform ständig aktualisiert. So können unter dem Button „Eintrag vorschlagen“ weitere solidarische Initiativen benannt und vorgestellt werden.

Unterstützung und Gesellschaftskritik

„Iniradar soll mit einer großen Auswahl an Initiativen ein breites Publikum ansprechen. Daher wird grundsätzlich alles aufgenommen, was Menschen in ihrer aktuellen Situation unterstützt.“ Eine besondere Rolle komme allerdings den Initiativen zu, die in ihrer direkten Unterstützung bei alltäglichen Problemen auch Kritik an der jetzigen Gesellschaft üben. „Es geht darum, diese Probleme langfristig zu überwinden. Uns treibt der Wunsch, mit einem Ansatz an den konkreten Bedürfnissen zu mehr Organisierung und irgendwann zu einer anderen Gesellschaft zu kommen“, erklärt Manuel und benennt einen Widerspruch. „Uns ist bewusst, dass es Unterstützungsangebote gibt, die gewollt oder ungewollt, nicht zu mehr Organisierung und kollektivem Aufbegehren führen, sondern gesellschaftliche Probleme lindern und den Widerspruch besänftigen.“ Das ist für Manuel eine tragische Feststellung, denn für ihn ist klar: „Menschen in Not nicht zu unterstützen ist auch keine Lösung.“

Ein Ziel besteht in der Vernetzung von solidarischen Initiativen. „Durch den Austausch materieller und immaterieller Ressourcen kann eine stärkere Zusammenarbeit und Formen einer gemeinsamer Organisierung entstehen“, so die Hoffnung von Manuel und seinen Genoss*innen. Damit knüpften sie an die Idee des Projekts Stattbuch an, das vor über 40 Jahren eine ähnliche Sammlung sozialer Initiativen für Berlin erstellt und in mehreren Auflagen bis in die 90er Jahre veröffentlicht hat. So könnte man Iniradar als ein digitales Stattbuch bezeichnen.

Die Verantwortlichen arbeiten unentgeltlich. Trotzdem wird Geld gebraucht, etwa zur Deckung von Kosten für Übersetzungs- und IT-Arbeit. Daher wurde unter iniradar.org/donate ein Spendenaufruf gestartet.

Peter Nowak
https://taz.de/Neue-Plattform-in-Berlin/!5893855/

passiert am 25.11.2022