Silvester zum Knast: die Isolation brechen [Aufruf] | New Year’s Eve to jail: break the isolation [call]

***english below***

Am 31.12.22 wollen wir ab 22.30 Uhr gemeinsam an der JVA Moabit demonstrieren. Wir wollen mit einem Antiknastspaziergang starten, der um das Gefängnis führt und so von möglichst vielen Menschen drinnen gehört werden kann. Anschließend wollen wir zusammen eine Kundgebung gestalten, die neben Reden, Projektionen und Texten, Live Musik auch Raum für Liederwünsche, Grußworte und Kreativität bieten soll.

In diesem Sinne brechen wir (auch) an Silvester die Isolation des Knast-Systems. Isolation wird in unserer kapitalistischen Gesellschaft als Bestrafung benutzt, denn es soll nur der Einzelkämpfer, individualisiert und im Wettbewerb gegen Andere, existieren. Dadurch entfernen wir uns immer weiter voneinander. Dies geschieht nicht nur durch Anonymität und Kontaktlosigkeit, sondern auch durch fehlende gegenseitige Verantwortungsübernahme. Anstatt uns umeinander zu kümmern, sollen wir lernen, dem Staat zu vertrauen und ihm die Kontrolle zu überlassen. So wird versucht, jede Form des Widerstands schon im Keim zu ersticken. Die Abgabe unserer gegenseitigen Hilfe, bedeutet aber mehr Macht in den Händen der Profiteur_innen von einem rassistischen und ausbeuterischen System.
Armut wird von dem kapitalistischen System produziert und bitter benötigt, um Menschen abhängig von der Gunst ihrer eigenen Ausbeuter_innen zu machen. Menschen, die sich diesem zugewiesenen Schicksal nicht beugen wollen, die von den Verhältnissen gezwungen werden, zu stehlen und zu betrügen, werden eingesperrt. 23% der Menschen in Berlin sitzen wegen Diebstahls und Unterschlagung, weitere 13% sitzen wegen Raub und Erpressung im Gefängnis. So bestraft das kapitalistische System einzelne Menschen für Probleme, ohne die es gar nicht existieren könnte. Die Doppelmoral zeigt sich, wenn Richter_innen mit bürgerlichem Zeigefinger auf eine_n Dieb_in deuten, während gleichzeitig Immobilienkonzerne legal tausende von Menschen aus ihren Wohnungen auf die Straße werfen.

Die Kriminalisierung von Widerstand sehen wir nicht nur in Deutschland, sondern auch im neofaschistischen Italien und dem dort als “ hartes Gefängnis“ bekannten Knastregime 41bis . Auch in den Knästen selbst gibt es ein System aus Belohnung und Bestrafung. So gibt es kein „Privileg“, das den Gefangenen nicht auch wieder weggenommen werden kann. Das Knastsystem bestraft durch die Kontrolle aller Lebensvorgänge, dem Entzug von sozialem und liebvollem Kontakt und dem Begraben menschlicher Bedürfnisse in Antragsformularen. Im Falle des 41bis Gefängnisses werden diese Druckmittel noch verschärft: z. B durch 24 Stunden Kameraüberwachung der Zelle und in den Badezimmern; 23 Stunden Isolation am Tag; das Verbot Bücher, Magazine oder andere Drucksachen von draußen zu besitzen; Gefangene dürfen nur drei Bücher besitzen, die von der Gefängnissleitung genehmigt werden; Besuch der Familie ist nur für eine Stunde im Monat und nur durch eine Glasscheibe ( Kinder unter 12 Jahre dürfen ihre Eltern nur kurz unter Aufsicht umarmen) gestattet; Gefangene dürfen nur per Videokonferenz an ihren eigenen Gerichtsprozessen teilnehmen.
Anfangs für als „der Mafia nahestehend“ bezeichnete Personen eingeführt, wurde 41bis auch schon bald auf „hochgefährliche“ Menschen“ mit kriminellen, terroristischen und/oder subversiven Verbindungen“ angewandt. Dieses „Etikett“ führte Anfang 2000 zur Verhaftung von Aktivisten der „Nuove Brigate Rosse“ nach 41bis und nun das ersten Mal zur Verhaftung eines anarchistischen Aktivisten: Alfredo Cospito. Er befindet sich seid Oktober 2022 im Hungerstreik gegen die unerträglichen Haftbedingungen.
Wir fordern die sofortige Freilassung aller Gefangenen und die sofortige Beendigung des 41bis Regimes!

Die Bestrafung durch Isolierung von Menschen, die sich ihrem Schicksal nicht beugen wollen, sehen wir auch am Beispiel des Abschiebeknastes am BER. Menschen werden gefangen genommen, da sie den Mut hatten, zu migrieren und ihr Ziel nicht zu verlassen, auch wenn der Staat ihnen das vorschreibt. Das bereits bestehende Abschiebegefängniss am BER soll bis 2025, auf 4 Hektar mit sieben Gebäuden vergrößert werden. Hinter dem Namen „Ein-und Ausreisezentrum“ verbirgt das Brandenburger Innenministerium sein Millionenschweres Bauprojekt zur Umsetzung der menschenverachtenden, rassistsichen Migrations- und Einreisepolitik. Es umfasst neben einem Ankunfts-, Gewahrsams-, und Rückführungsgebäude, auch ein Transitgebäude. Hier werden auch minderjährige Kinder bis zu ihrer Abschiebung eingeperrt.
Wir wollen, dass alle Menschen die Freiheit haben, sich zu bewegen und zu leben, wo sie wollen, wann sie es wollen. Keine Kriminalisierung von Migration! Keine Festung Europa!

Die rassistische Normalität zeigt sich im Knast genauso wie außerhalb der Gefängnisse. 2020 verbrannte Ferhat Mayouf in seiner Zelle in der JVA Moabit, die Justiz sprach reflexartig von Suizid. Isolationshaft und Wärter, die seine Zelle trotz Hilferufe nicht öffneten, sprechen gegen diese Bewertung. Wir sagen: Das war Mord. Es war genauso Mord, wie er allein in diesem Jahr auch außerhalb der Gefängnisse stattgefunden hat. So tötete die Polizei allein in einer Woche im August 2022 vier Menschen in Dortmund. Einer von ihnen der 16 jährige Mouhamed Lamine Dramé. Weiter wurden in diesem Jahr Kupa Illunga Medard Mutombo in Berlin, Amin F. in Frankfurt, A.P. aus Mannheim durch die Polizei ermordet.
Diese Morde sind keine Einzelfälle. Immer wieder sterben Gefangene, vor allem People of Color in den Knästen und Lagern. Immer wieder ermordet die Polizei Menschen in psychischen Ausnahmesituationen auf offener Straße.

All das sind Gründe, auch dieses Jahr gemeinsam und wütend gegen die herrschenden Verhältnisse auf die Straße zu gehen.

***english version***
New Year’s Eve to jail: break the isolation

On 31.12.22 we want to demonstrate together from 22.30 at the JVA Moabit. We will start with an anti-prison walk, which leads around the prison so we can be heard by as many people inside as possible. Afterwards, we will hold a rally together, which, in addition to speeches, texts, and a live act should also offer space for song requests, greetings and creativity.

In this sense, we (also) break the isolation of the prison system on New Year’s Eve. Isolation is used as punishment in our society, because in the capitalist patriarchy only the lone fighter, individualized and in competition against others, is supposed to exist. As a result, we are moving further and further away from each other. This happens not only on an interpersonal level, through anonymity and lack of contact, but also on the level of not taking responsibility for each other. Instead of taking care of each other, we are supposed to learn to trust the state and let it take control. This is an attempt to nip any form of resistance in the bud. Giving up our power to help each other concentrates power in the hands of the profiteers of a racist and exploitative system.

Poverty is produced by the capitalist system and bitterly needed to make human lives dependent on the favor of their own exploiters. People who do not want to bow to this assigned fate, who are forced by circumstances to steal and cheat, are imprisoned. 23% of the people in Berlin are in prison for theft and embezzlement, another 13% are in prison for robbery and extortion. Thus, the capitalist system punishes individuals for problems without which it could not exist. In a world where everything belongs to everyone and we live in collectivity, such crimes would not exist. The double standard is shown when judges point a bourgeois finger at a thief, while at the same time real estate companies legally throw thousands of people out of their homes onto the street.

We see the criminalization of resistance not only in Germany, but also in neo-fascist Italy and the prison regime known there as „hard prison“ : 41bis . Even inside the prisons themselves there is a system of reward and punishment, so there is no „privilege“ that cannot be taken away from the prisoners for punishment. The prison system punishes by controlling all life processes, depriving prisoners of social and affectionate contact, and burying human needs in application forms. In the case of 41bis prison, these pressures are compounded: e.g., 24-hour camera surveillance of the cell and in the bathrooms; 23 hours of isolation a day; the ban on owning books, magazines, or other printed materials from the outside; prisoners may own only three books approved by the prison administration; visiting family only one hour a month and only through a pane of glass (children under 12 may hug their parents only briefly under supervision); prisoners may attend their own court proceedings only by videoconference.

Initially introduced for, “ people close to the mafia“, 41bis was also soon applied to “ highly dangerous“ people „with criminal, terrorist and/or subversive links“. This „label“ led to the arrest of activists of the „Nuove Brigate Rosse“ under 41bis in early 2000 and now, for the first time, to the arrest of an anarchist activist Alfredo Cospito. He is on hunger strike since October 2022 against the unbearable prison conditions.We demand the immediate release of all prisoners and the immediate end of the 41bis regime!

We also see the punishment by isolation of people who do not want to bow to their fate in the example of the deportation prison at BER. People are imprisoned because they dared to migrate and not leave their destination when the state commands them to do so. The already existing deportation prison at BER is to be enlarged by 2025 , to 4 hectares with seven buildings. Behind the name “ Ein-und Ausreisezentrum“ the Ministry of the Interior of Brandenburg hides its million building project for the implementation of the inhuman and racist migration policy. It includes an arrival, detention and repatriation building, as well as a transit building. Underage children are also locked up here until they are deported. We want the freedom of movement for everybody! Every human should live whereever they want, whenever they want! No criminalisation of migration! No Fortress Europe!

Racist normality is just as evident in prison as it is outside it. In 2020, Ferhat Mayouf burned to death in his cell in Moabit Prison; the judiciary reflexively spoke of suicide. Solitary confinement and guards who did not open his cell despite calls for help speak against this assessment. We say: This was murder. It was murder just as it has been outside prisons this year alone. So the police killed four people in Dortmund in one week alone in August 2022. One of them 16 year old Mouhamed Lamine Dramé. Further in this year Kupa Illunga Medard Mutombo in Berlin, Amin F. in Frankfurt, A.P. from Mannheim were murdered by the police.

These murders are not isolated cases. Again and again prisoners, especially People of Color die in jails and camps. Again and again, the police murder people in psychologically exceptional situations on the open street.

All of these are reasons to take to the streets again this year, together and angrily, against the prevailing conditions.

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